Full text: der Weltkrieg 1914. Band 2. (1)

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zu fechten, wenn wir nicht herausgefordert sind, wäre klar eine Ver- 
letzung unserer Verträge. Die Lockungen der Triple-Entente sind nur 
eine Falle. Wenn wir darauf hineinfallen, wird niemand uns mehr 
trauen. Wenn wir Oesterreich anfallen, so werden uns Oesterreich und 
Deutschland beim endlichen Frieden hassen, und die anderen Mächte, was 
sie auch saen werden, werden uns verachten; als eine stark bewaffnete 
neutrale Nation, welche kriegsbeteit ist, ihre Interessen zu schützen, fünd 
wir in einer besseren Lage.“ 
Der dritte Artikel trägt die Ueberschrift: „Des Königs Haltung.“ 
„Hätte es keinen Krieg in Tripolis gegeben, heißt es da, so würde 
Italien wahrscheinlich nicht neutral wie heute sein; aber jene starke Er- 
fahrung hat manchen Heißsporn gezähmt; allgemein sagt man, daß der 
König seine Meinung dahin erklärt hat, daß ohne entscheidende Heraus- 
. eine andere. als eine neutrale Haltung Italiens unehrenhaft 
ein würde. Das hat einen grohen Eindruck auf die Oeffentlichkeit ge- 
macht. Die Zeitungen bringen stetige Berichte vom Zwiespalt zwischen 
dem Kriegsminister und dem General Cadorna, dem Haupt des General- 
stabes. General Grandi und General Tassoni, der Minister und der 
Unterstaatssekretär des Krieges, haben tatsächlich abgedankt. Aber es 
sind keine Zeichen vorhanden, daß die Kriegspartei Aussicht hat, die 
Oberhand zu bekommen.“ 
Es ist überflüssig zu sagen, die österreichische Diplomatie ist in der 
Sache sehr tätig, und beide, Oesterreich und Deutschland, tun alles, um 
irgendeinen Zwischenfall zu vermeiden, der Italien einen Kriegsanlaß gäbe. 
Englische Unzufriedenheit mit der russischen Kriegführung. 
W.T. B. London, 18. Oktober. Der militärische Mitarbeiter der 
„Morningpost“ schreibt: Es sei klar, daß im Osten die Entwicklung nicht 
ganz erwartungsgemäß vonstatten gehe. Die Schlacht, die in der Nähe 
Krakaus erwartet wurde, werde viel weiter östlich geschlagen werden. Die 
Russen, die zu Beginn des Krieges die Initiative ergriffen hätten, seien 
inzwischen genötigt worden, diesen Vorteil aufzugeben und dem Gegner den 
Angriff zu überlassen. Die vorrückenden deutschen Truppen seien aus 
diesem Grunde imstande gewesen, die Weichsel ohne besonderen Widerstand 
u überschreiten. Der Mitarbeiter bemerkt weiter, die Bedeutung von 
Premwoel trete jetzt klar zutage, und es sei bedauerlich, daß es nicht gelang, 
die Festung zu nehmen. · 
Trostlose Lage in Kiew. 
W.T.B. Konstantinopel, 18. Oktober. Das hier erscheinende 
persische Blatt „Haver“ veröffentlicht einen Brief seines Kiewer Kor- 
respondenten, in dem erzählt wird, daß in den letzten Tagen 25 000 russische 
Verwundete in Kiew eintrafen. Sie sind in der Nacht in die Spitäler 
übergeführt worden, um nicht die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich 
zu ziehen. Alle öffentlichen Anstalten und großen Gebäude wurden in 
Spitäler umgewandelt. Die Verwundeten heben die Tapferkeit der 
deutschen und österreichisch-ungarischen Truppen lobend hervor. Die russischen 
Behörden nehmen der Bevölkerung alles Hartgeld und verfügen darüber, 
indem sie es gegen Papiergeld umwechseln. Das Getreide der musel- 
manischen Bauern wird um geringes Entgelt requiriert. Die Militär- 
  
 
	        
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