86
3. Abschnitt.
Die strafbaren Tatbestände der Kettenhandelverordnung.
81.
Der Kettenhandel und ihm gleichstehende unlautere
Machenschaften.
I. Der Wuchercharakter der Strafbestimuigagagaa . . . ... 86
II. Die Objekte des strafbaren Tatbestandea 86
III. Die Natur des Kettenhandels als einer preisverteuernd wirkenden unlauteren
Machenshaaat:::: .. . ... 87
IV. Die Folgerungen aus der Natur des Kettenhandels als einer unlauteren
Machenschaft. Wesenseigentümlichkeiten und Begriff des Kettenhandels 88
V. Die Erstreckung der Täterschaft beim Kettenhandel ..... .. .. . . . . . .. . . . . . 91
VI. Die preissteigernde unlautere Machenschaft schlechthin ......... .... . . .... 91
I. Derjenige Tatbestand, welcher der Kettenhandelverordnung ihren Namen
gegeben hat, stellt sich als ein spezifisches Kriegswucherdelikt dar. Typische, der
Ausbeutung des Publikums dienende Auswüchse des Handels in der Kriegswirt-
schaftszeit sollen getroffen werden, wenn es im § 11 der Kettenhandel VO. heißt:
„Wer den Preis für Lebens= oder Futtermittel durch unlautere
Machenschaften, insbesondere Kettenhandel, steigert, wird mit Gefängnis
bis zu 1 Jahr und mit Geldstrafe bis zu 10 000 M oder mit einer
dieser Strafen bestraft.“
II. Nicht die Gegenstände des täglichen Bedarfs schlechthin, sondern nur
die Lebens= und Futtermittel sind also taugliche Objekte des Ketten-
handels in der Kettenhandels VO. vom 24. Juni 1916 angeführt. Lebens-
mittel sind hier im weitesten Sinne gemeint. Alles, was dem menschlichen
Körper einverleibt wird, mag es auch mehr zum Genuß als zur Ernährung
bestimmt sein, ist hierher zu zählen. Voraussetzung ist allerdings, daß es den
Verdauungsorganen zugeführt werden soll. Nicht sind auszuscheiden diejenigen
Genußmittel, deren absoluter Nicht-Nährwert als feststehend gilt, wie Spiri-
tuosen. Nahrungsmittel im Sinne der Kettenhandel VO. ist nicht erst das
genußfertige Produkt. Auch die Urstoffé, die zu seiner Fabrikation bestimmt
sind, zählen hierher (s. § 2 Kettenhandel VO.). Ebenso auch die Zusatzmittel
der menschlichen Nahrung, wie Ole und Gewürze. Lebensmittel sind nicht alle
Mittel, die zur Lebenshaltung dienen. Lebensmittel sind nur solche
Gegenstände, die in den Körper gelangen; Seife zählt also nicht hierher.
Ebenso wie für die Lebensmittel gilt auch für Futtermittel die Einbeziehung
derjenigen Erzeugnisse, aus denen Futtermittel hergestellt werden (s. 8 2
Kettenhandel VO.). «
Durch spätere Spezialbestimmungen ist das Verbot des Kettenhandels
auf eine Reihe weiterer unentbehrlicher Bedarfsartikel ausgebildet worden,
zunächst, nämlich durch Verordnung vom 8. Februar 1917 mit Wirkung vom
12. Februar 1917 (RGl. S. 112), auf Textilien und Tertil-
ersatzstoffe, danach durch Verordnung vom 22. März 1917 (RGl.
S. 270) auf Arzneimittel und schließlich durch Verordnung vom
28. Juni 1917 (Rnl. S. 563) auf Tabakwaren.