Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Erster Band. Deutsches Reich. (1)

138 2. Buch. 2. Abschnitt. Verfassungsrecht des Deutschen Reiches. 
Bei der Revision des Zolltarifs im Jahre 1879 schloß sich das 
Deutsche Reich dem Schutzzollsystem an. Infolge dessen wurden 
die Eingangszölle nicht unerheblich erhöht und auf Artikel erstreckt, 
welche bisher sogar zollfrei gewesen waren, wie Holz und Getreide. 
Um gegenüber der fortgesetzten Erhöhung der Eingangszölle in den 
Auslandsstaaten den Absatz der deutschen Erzeugnisse im Auslande zu 
sichern, schloß das Deutsche Reich in den Jahren 1892—1894 bei 
Ablauf der alten Verträge, neue Zoll= und Handelsverträge 
mit ÖOsterreich, Italien, Schweiz, Belgien, ferner mit Rumänien, 
Serbien und Rußland. Diese Handelsverträge beruhen auf den 
Konventionaltarifen, indem unter Zusicherung der Meistbegünstigung 
gegenseitige Zollermäßigungen für zwölf Jahre vereinbart wurden. 
Deutschland ermäßigte in diesen Verträgen insbesondere die land- 
wirtschaftlichen und einige Industriezölle, auch Zölle für Wein und 
Südfrüchte. Besonders die Landwirtschaft fühlte durch diese Zoll- 
ermäßigungen sich sehr geschädigt, zumal da die Ausfuhr durch weitere 
Erhöhung der fremden Eingangszölle erheblich erschwert wurde. Um 
diesen Ubelständen zu steuern, hob man den Identitätsnachweis auf. 
Hiernach sollte der für eingeführtes, ausländisches Getreide erhobene 
Zoll zurückerstattet werden, wenn eine gleiche Menge an einheimischem 
Getreide ausgeführt wird; ebenso wird für Mehl oder Malz, welche 
im Inlande aus ausländischem Getreide hergestellt sind und ausgeführt 
werden, der Eingangszoll erstattet. Ferner wurden Staffeltarife für 
Getreide eingeführt, indem man bei Getreideeinfuhr mit steigender 
Entfernung wachsende erhebliche Frachtermäßigungen gewährte. Diese 
Staffeltarife wurden 1894 wieder aufgehoben. Alle diese kleinen 
Mittel zur Beseitigung der durch die Handelsverträge hervorgerufenen 
Übelstände reichten nicht aus. Man erntschloß sich deshalb zu einer 
umfassenden Neuregelung des Zolltarifs, der eine nicht unwesentliche 
Erhöhung der Zollsätze, insbesondere der Getreidezölle und eine ins 
einzelne gehende Spezialisierung der Sätze nach der Gattung der zoll- 
pflichtigen Gegenstände vorsieht. 
Das Zolltarifgesetz mit dem dazu gehörigen Zolltarif kam 
zustande, es datiert vom 25. Dezember 1902 (RGBl. S. 303). 
Die wichtigsten Bestimmungen dieses für das wirtschaftliche Leben 
Deusschlands hoch bedeutsamen Gesetzes sollen später noch erörtert 
werden. 
IV. Umfang des Zollgebiets. Die von der RV. im Prinzip an- 
erkannte Übereinstimmung der Reichsgrenze mit der Zollgrenze erleidet 
einige Ausnahmen: 
1.es gibt einige Zollannexe („Zollanschlüsse"“), indem das Groß- 
herzogtum Luxemburg (Vertrag vom 8. Febr. 1842 und 20./25. 
Oktober 1865), sowie die österreichischen Gemeinden Jungholz 
(Vertrag mit Bayern vom 3. März 1868) und Mittelberg (Vertrag 
- dem Deutschen Reiche vom 2. Dezember 1890) zum Zollgebiete 
gehören. 
2. Einzelne Reichsgebietsteile sind von demselben aus- 
geschlossen („Zollausschlüsse“). Dies geschah teils aus zgoll-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.