336 5. Buch. Die materielle Staatsverwaltung.
Ihre Organisation und Kompetenz ist näher geregelt durch Gesetz vom
30. Juni 1894 (GS. S. 126). Die Kammern sind zuständig zur
Stellung selbständiger Anträge und zur Besteuerung der selbständigen Acker-
nahrungen. Die Landwirtschaftskammern haben ferner die Verwaltungs-
behörden bei allen die Land= und Forstwirtschaft betreffenden Fragen
durch tatsächliche Mitteilungen und Erstattung von Gutachten zu unter-
stützen. Sie haben außerdem den technischen Fortschritt der Landwirt-
schaft durch zweckentsprechende Einrichtungen zu fördern. Es wird
ihnen nach Maßgabe der für die Börsen und Märkte zu erlassenden
Bestimmungen eine Mitwirkung bei der Verwaltung und den Preis-
notierungen der Produktenbehörden, sowie der Märkte insbesondere der
Viehmärkte, übertragen. Die Errichtung dieser Kammern ist erfolgt
für die sieben östlichen Provinzen, für Schleswig-Holstein und die
Regierungsbezirke Kassel und Wiesbaden unter gleichzeitiger Bekannt-
gabe der Satzungen durch Verf. vom 3. August 1895 (GS. S. 363).
Die Landwirtschaftskammern haben auch die Bezirksbeiräte zu wählen,
welche in Rentengutssachen, bei Errichtung von Kolonien zu den Be-
ratungen der Generalkommissionen mitheranzuziehen sind (MV. vom
28. Dezember 1897 MBl. 98 S. 15).
Als technischer Beirat des Ministers für Landwirtschaft dient das
Landesökonomiekollegium, dessen Mitglieder teils von den Land-
wirtschaftskammern, zwei für jede Provinz, teils bis zu ½ von dem
Landwirschaftsminister ernannt werden können. Die Dauer der Mit-
gliedschaft währt 3 Jahre (Satzung vom 10. Dezember 1898 Ml. 99
S. 15).
Zur Begutachtung landwirtschaftlicher Fragen besteht der deutsche
Landwirtschaftsrat, welcher sich aus 74 Vertretern der land-
wirtschaftlichen Vereine der deutschen Bundesstaaten zusammensetzt.
Zur Förderung technischer Fortschritte und Veranstaltung von
landwirtschaftlichen Ausstellungen hat sich die deutsche Landwirt-
schaftsgesellschaft gebildet.
Einen Gegenstand staatlicher Fürsorge bildet auch die Abwehr von
Eielseupe, welche jetzt reichsgesetzlich geregelt ist (Vgl. Bd. 1 § 125
In letzter Zeit sind u. a. zwei Fragen von besonderer Wichtigkeit
für die Landwirtschaft brennend geworden und sind wiederholt erörtert
worden. Sie betrafen die Fleischteuerung und die Landflucht der
landwirtschaftlichen Arbeiter und die damit vorhandene Leutenot. Beiden
Fragen hat die preußische Staatsregierung ihre besondere Aufmerksam-
keit geschenkt. Sie hat zu diesem Zwecke neuestens (Winter 1907)
dem preußischen Landesökonomiekollegium Vorschläge unterbreitet. Sie
hat, um der Fleischteuerung für die Zukunft vorzubeugen, zur Förde-
rung einer stärkeren Aufzucht von Vieh die Gründung von Zucht-
genossenschaften empfohlen. Vor allem soll, da ein großer Preis-
unterschied zwischen Mager= und Maftvieh besteht, die Gründung von
Genossenschaften zur Herstellung gemeinschaftlicher Jungvieh-
weiden ins Leben gerufen werden. Da Träger der Jungviehaufzucht
die kleinen Landwirte sind (der Großgrundbesitzer legt den Schwer-