Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

Artilel 4. Das Königliche Haus. 117 
nicht schonen wollte. Indessen bewegte sich das Wollen doch nicht in 
dieser, sondern in der entgegengesetzten Richtung. Einen Beweis hierfür 
liefern schon die Verhandlungen der Nat Vers über das Verhältnis des 
Art. 4 zu den Vorrechten der Standesherren. Diese Vorrechte kamen 
dort (nähere Angaben bei vRZ 2 30 Anm. 1) zur Sprache; die Ver- 
sammung schloß sich der Ansicht ihrer ZAbt an, wonach „kein Grund 
vorhanden sei, in die Vu einen Vorbehalt der Rechte der Mediatisierten 
aufzunehmen, indem vielmehr diese Rechte unvereinbar mit der Ver- 
fassung seien“. Der Vorrechte des königlichen Hauses wurde bei dieser 
Gelegenheit nicht gedacht. Angesichts des die Nat Verf beherrschenden 
Radikalismus, welche sich gewiß nicht gescheut hätte, mit allen andern 
Privilegien auch die des königlichen Hauses abzuschaffen und diese 
Abschaffung offen auszusprechen, ist der Schluß gerechtfertigt, daß die 
Nat Vers diese Abschaffung, indem sie sie bei gegebener Veranlassung 
nicht aussprach, eben nicht gewollt hat. Da nun ganz ausgeschlossen 
ist, daß die eigentlichen verfassunggebenden Faktoren, Staatsregierung 
und Rev Kammern, in diesem Punkte radikaler verfahren wollten als dic 
Nat Vers, so muß angenommen werden, daß Satz 2 die Sonderstellung 
der Mitglieder der Dynastie unberührt lassen mill und daß man diese 
Einschränkung des Satzes für selbstverständlich und es daher für über- 
flüssig hielt, einen sie verdeutlichenden Vorbehalt in den Text aufzunehmen. 
Bezeichnenderweise erachtete man letzteres auch später nicht für nötig, 
als es geraten erschien, die Fortgeltung bzw. Wiederherstellung der 
standesherrlichen Rechte durch die Verfassungsdeklaration vom 
10. Juni 1854 (s. unten 122) ausdrücklich zu legitimieren. Der Wille 
des Verfassungsgesetzgebers ging also von Anfang an dahin, die Vor- 
rechte des königlichen Hauses von der Regel des zweiten Satzes aus- 
zunehmen. Selbstverständlich wurden hierdurch die Normen, auf denen 
bis dahin jene Vorrechte beruhten, nicht zu Verfassungssätzen erklärt 
(vom Thronfolgerecht, Art. 53, ist hier nicht die Rede) und ist daher 
zu ihrer Abänderung das Verfassungsänderungsverfahren nicht erforder- 
lich, vielmehr der einfache Weg der Gesetzgebung genügend. Dieser 
Standpunkt ist von der preußischen Staatspraxis unverändert festgehalten 
und demzufolge der Erlaß solcher Normen, welche zugunsten des könig- 
lichen Hauses Abweichungen von gemeingültigen Rechtsvorschriften 
statuieren, als Gegenstand der einfachen Gesetzgebung angesehen worden: 
vgl. z. B. V vom 2. Jan. 1849 (GS 1) 5 11 (privilegierter Gerichts- 
stand), Gesetz betr. die Einführung einer Klassen= und lassifizierten 
Einkommensteuer vom 1. Mai 1851 (GS 193), §5 16, Einkommensteuer- 
gesetz, Fassung vom 19. Juni 1906 (GS 260), §5 3 Nr. 1 (Steuer-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.