150 Artikel 8. Strase und Zwangsmittel.
grundrechtlichen Bestimmungen, nicht eigentlich gegen die richterliche,
sondern gegen die vollziehende Gewalt; es ist auch hier, wie bei jenen
Bestimmungen, namentlich bei Art. 5, 6, 9, das Prinzip der gesetzmäßigen
Verwaltung, (oben 97) dem Ausdruck und Nachdruck verliehen werden
wollte, indem die Gesetzmäßigkeit der Justiz als eine durch den Be-
griff derselben gegebene Selbstverständlichkeit vorausgesetzt werden durfte.
(Übereinstimmend: Smend, die preuß. Vll im Vergl. m. d. belgischen,
35 N. 4). Auch im übrigen hat die Auslegung des Artikels von denselben
Grundsätzen auszugehen, welche für das Verständnis der „Rechte der
Preußen“ maßgebend sind und oben S. 98, 137 im allgemeinen sowie
in besonderer Anwendung auf Art. 5 dargelegt wurden. Namentlich ist,
im Anschluß an die dortigen Ausführungen, zu betonen, daß die Inter-
pretation der preußischen Verfassung den Art. 8 nicht nötig hat, um
sogenannte selbständige Verordnungen auf dem Gebiete des Strafrechts
auszuschließen. Solche würden im Hinblick auf Art. 62 und 45 auch
ausgeschlossen sein, wenn Art. 8 nicht existierte. — Wenn Schwartz,
Komm. zu Art. 8 (A, 3 und 4) die Verpönung von Tatbeständen durch
„Königliche Verordnung“ (nicht intra, sondern praeter legeml) in Preußen
für staatsrechtlich möglich zu halten scheint, so ist das im Ergebnis und
in der Begründung falsch.
II. „Strafe“ ist ein Übel, welches angedroht wird, um staatlichen
Geboten und Verboten den nötigen Nachdruck zu verschaffen, ne peccetur,
und welches man verhängt, um die gleichwohl vorgekommene Zuwider-
handlung zu ahnden, quia peccatum est, sowie um ferneren Ver-
fehlungen psychisch zwingend vorzubeugen: wiederum „ne peccetur“.
Unter diesen Strafbegriff fallen nicht nur die Strafen im engeren und
eigentlichen Sinne, die Kriminalstrafen, sondern auch die Disziplinar-
strafen sowie Ordnungsstrafen jeder Art, sofern sie nicht zur Kategorie
der Disziplinarstrafen gehören (z. B. Ordnungsstrafen wegen Ungebühr
vor Gericht: G FI## 179ff.). Art. 8 bezieht sich auf alle Arten von
Strafen, einerlei ob ihre Androhung und Verhängung zur Zuständigkeit
der ordentlichen Gerichte, Disziplinargerichte, Verwaltungsbehörden (z. B.
Polizeibehörden) oder Verwaltungsgerichte gehört, — aber auch nur
auf Akte der Strafgewalt, nicht aber auf jene Akte der staatlichen
Zwangsgewalt, welche sich äußerlich wie Strafen ausnehmen, ihrem
inneren Wesen nach aber von ihnen verschieden sind: auf die so-
genannten Exekutivstrafen des Verwaltungs- und Prozeßrechts (val.
z. B. LVG F 132, B3PO 390, 888, 890, 901). Die Exekutivstrafe ist
nicht Strase im Rechtssinne, sondern Zwangsmittel (vgl. zur Ab-
grenzung des Begriffs Anschütz im Välrch 1 453ff., Haenel, Deutsches