Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

Artikel 8. Verhältnis zu Artikel 5. Verbot der Analogie. 151 
Staatsr. 1 454 f.), sie gehört in eine Reihe nicht mit den Kriminal., 
Disziplinar- und andern Strafen, sondern mit den verschiedenen Mitteln 
und Formen der gerichtlichen und administrativen Zwangsvollstreckung. 
Übereinstimmend legen den Art. 8 aus Schwartz, Anm. B zu diesem 
Artikel, und Arndt, Komm. 99, 100, letzterer mit dem zutreffenden 
Hinweis darauf, daß die Frage, ob zu den Strafen im Sinne des 
Artikels auch Exekutivstrafen gehören, belanglos ist, indem die Exekutiv- 
strafe, wenn nicht „Strafe", so doch in jedem Falle ein Akt zwangs- 
weisen Eingreifens in die persönliche Freiheit ist, welcher nach dem all- 
gemeinen Grundsatz des Art. 5 (oben 135) unter den Vorbehalt des 
Gesetzes fällt. 
Man könnte überhaupt die Frage aufwerfen, ob nicht Art. 8 nur eine 
Entfaltung des Art. 5 und insofern überflüssig sei, da ja auch die wirkliche, 
nicht nur die Exekutivstrafe, eine Freiheitsbeschränkung — ein Dulden= oder 
Zahlenmüssen — in sich schließt. Indessen wäre dieser Einwand doch 
nicht begründet, da er die Möglichkeit von Strafen ohne Freiheitsbe- 
schränkung außer acht läßt; man denke an Ehrenstrafen ohne Rechts- 
einbuße, Warnungen, Verweise. 
III. „In Gemäßheit des Gesetzes“. Diese Worte sind in dem 
Sinne streng auszulegen, daß dadurch die analoge Anwendung der 
Strafrechtsnormen auf andere als die in ihnen bezeichneten, aber diesen 
ähnliche Fälle ausgeschlossen wird. Die zur Ausübung der Straf- 
gewalt berufenen Organe dürfen überall nur strafen nach dem Gesetz, 
nicht aber nach der Analogie eines Gesetzes; es ist ihnen nicht ge- 
stattet, den in den Gesetzen bezeichneten strafbaren Tatbeständen im 
Wege der Konstruktion per analogiam noch weitere hinzuzufügen. 
Dieser Grundsatz — für das Reichsstrafrecht durch StrG#B § 2 Abs. 1 
positiv ausgesprochen (vgl. Arndt, Komm. 100; Frank, Komm. z. StrGB 
24) — ist ein allgemeingültiger und findet deshalb Anwendung auch 
auf das Landesstrafrecht, und zwar für alle Zweige desselben, das 
eigentliche (kriminelle) Disziplinar= und Polizeistrafrecht (wobei auch 
einerlei ist, ob man die den Verwaltungsbehörden zustehenden Straf- 
befugnisse als ein dogmatisch eigenartiges „Verwaltungsstrafrecht“ der 
ordentlichen Strafjustiz der Gerichte gegenüberstellen will (Goldschmidt, 
Verwaltungsstrafrecht, 1902) oder nicht). Über den ebenmößigen 
Ausschluß der Analogie bei Verwaltungsakten ohne Strascharakter 
s. oben 142. 
IV. Dagegen dürfen die Worte „in Gemäßheit des Gesetzes"“ 
nicht nach der Richtung hin streng genommen werden, daß als „Gesetz“ 
nur die formellen Gesetze des konstitutionellen Staates gelten können.
	        
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