Art. 29, 30. Allge meinpol. Beschränkungen d. Vereins- u. Versammlungsfreih. 523
Zu a. Uber die spezifisch vereins- und versammlungspolzzei-
lichen Beschränkungen vgl. unten 526ff.
Zu b. Was die allgeme inpolizeilichen Beschränkungen anlangt, so
wollte der Entwurf des RVG sie, dem System des Pr VG (oben 517)
folgend, vollständig, d. h. nicht nur im Interesse der Sicherheit der
Beteiligten oder Dritter, sondern auch in dem der öffentlichen Ordnung,
unberührt lassen. Das Gesetz aber zieht hier engere Grenzen.
Es hat, einem auf Antrag der Kommission gefaßten Reichstagsbeschlusse
zufolge, in der Absicht, willkürliche und schikanöse Beeinträchtigungen
der Vereins- und Versammlungsfreiheit auszuschließen (vgl. Komm Ber
16 ff.., 136), als § 1 Abs. 2 den schon mehrfach (oben 211, 509) be-
sprochenen Satz aufgenommen:
Die allgemeinen sicherheitspolizeilichen Bestimmungen des
Landesrechts finden Anwendung, soweit es sich um die Ver-
hütung unmittelbarer Gefahr für Leben und Gesundheit der
Teilnehmer an einer Versammlung handelt.
Daß dieser Abs. 2 sich auf die allgemeinpolizeilichen Beschränkungen
bezieht, während der Gesetzgeber im Abs. 1 („polizeilich nur.)
die spezifisch vereins--und versammlungspolizeilichen im Auge hat, ist
unbestritten (vgl. Wolzendorff im Varch 18 276 N. 36). Der Ton der
Bestimmung liegt auf den Worten Versammlung, Teilnehmer, sicher-
heitspolizeilichen, unmittelbare Gefahr für Leben oder Gesundheit.
Danach sind die in den Landesgesetzen (510 II 171) begründeten all-
gemeinpolizeilichen Befugnisse innerhalb der durch Abs. 2 bezeichneten
Grenzen überhaupt nur Versammlungen, nicht aber Vereinen
gegenüber aufrechterhalten (oben 509). Und auch Versammlungen
gegenüber gelten diese Befugnisse keineswegs in ihrem sonstigen vollen
(§ 10 II 17) Umfange. Das Wort „Teilnehmer" schließt die Berück-
sichtigung der Interessen Dritter (z. B. der durch den Versammlungs-
lärm gestörten Ruhe der Nachbarschaft) aus; die Wendung „unmittel-
barer Gefahr“ usw. gestattet nur solche Maßregeln, welche Leben und
Gesundheit (nicht andere Güter) der Versammelten vor dringender
Gefahr schützen (z. B. Auflösung einer Versammlung wegen entsprechend
gefährlicher Uberfüllung des Versammlungsraums, wegen Feuers- oder
Einsturzgefahr); endlich verbietet der Ausdruck „sicherheitspolizeilichen“
alle polizeilichen Eingriffe, welche lediglich der öffentlichen Ordnung
dienen, — denn „ßöffentliche Ordnung“ bezeichnet hier wie sonst im
Polizeirecht (vgl. Anschütz, Die Polizei (1910) 16 f.) einen weiteren Auf-
gabenkreis der Polizei im Gegensatz zu dem mit „ßffentliche Sicher-
heit“ bezeichneten engeren.