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Ein Beitrag zur Lehre von der Staatsange-
hörigkeit,
Von
Gerichtsassessor a. D. Dr. LUDwIG WALDECKER, Privatdozent
der Universität Berlin.
I.
Das farblose Wort Staatsangehörigkeit bezeichnet schlecht-
hin und zunächst die Zugehörigkeit zu einem Staat!, ohne gleich-
zeitig Wesen oder Inhalt dieser Zugehörigkeit seiner juristischen
Natur und seinem Entstehungsgrunde nach zu umschreiben. Eine
Staatsangehörigkeit in diesem Sinne hat bestanden, solange es
einen Staat gibt.
Will man Wesen und Inhalt dieses Begriffs in seiner heu-
tigen Bedeutung erfassen, so gibt es zwei Wege: Entweder
den der Entwickelung aus dem positiven gegebenen Recht —
wobei es unzulässig sein dürfte, das etwa gewonnene Resultat
retrospektiv auf die Verhältnisse früberer Zeiten anzuwenden, die
die Zugehörigkeit zum Staat wie den Begriff des Staats selbst
wesentlich anders aufgefaßt haben, als das 19. Jahrhundert. Oder
aber es ist der Begriff historisch zu entwiekeln, indem die Wand-
.t BazıLre-KöstLin, Das Recht der Staatsangehörigkeit unter beson-
derer Berücksichtigung Württembergs, Stuttgart 1902, 8.6; v. MARTITZ
in Hirths Annalen 1875, S. 796.