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und die im Betriebe der staatlichen Verwaltung abgeschlossenen Verträge
der civilgerichtlichen Judikatur entzogen. Für die Auslegung, Prüfung,
Feststellung sind die Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichte zuständig.
Dies ist aber nicht bloss ein Ausschluss der sonst zur Entscheidung von
Streitfällen berufenen Behörden und eine damit eng zusammenhängende
Veränderung des Verfahrens, sondern es bewirkt dies auch in gewissem
Grade eine freiere Stellung gegenüber den materiellen Sätzen des Civilrechts,
eine Berücksichtigung der Billigkeit, der Zweckmässigkeit vom Standpunkt
des staatlichen Verwaltungsinteresses aus. Die Verlegung des Rechtsschutzes
von den Gerichten in die Verwaltungsinstanzen ist zugleich eine Abschwä-
chung der Herrschaft der civilrechtlichen Regeln. Dies führt den Verf. zu
der Annahme, dass es neben dem System der Privatrechtsinstitute ein kor-
respondirendes System von Verwaltungsrechtsinstituten gebe, Verwaltungs-
besitz, Verwaltungseigenthum, Verwaltungsservituten, Verwaltungsverträge
(öffentlich rechtliche Verdingung, Leihe, Dienstmiethe, Auftrag, Verkauf u.s. w.).
Für diese Rechtsinstitute sollen die entsprechenden Regeln des Privatrechts
analoge Anwendung finden, gleichsam als scripta ratio juris.
Der Verf. geht aber noch weiter. Wegen des mangelnden Schutzes
durch die Civilgerichte bestreitet er den privatrechtlichen Gehalt dieser
Rechtsverhältnisse überhaupt; er erblickt in ihnen Bethätigungen von
Hoheitsrechten, einseitig durch die öffentliche Gewalt geschaffene Rechts-
beziehungen, aus denen prinzipiell nur der Staat (die Verwaltung) berechtigt
wird. Wenn den Einzelnen Rechte zustehen, so sollen dieselben nur auf
einseitigen Verleihungen beruhen oder sich nur in Interessen auflösen, welche
die Verwaltung zu schützen sich bereit findet. Von diesem Gesichtspunkte
aus behandelt der Verf. die Lehre vom domaine public und von der Ent-
eignung. Bei der letzteren verwickelt er sich in einen offenbaren Wider-
spruch zwischen seinem Grundprinzip und dem allgemein anerkannten
Grundsatz des französischen Rechts: l’expropriation pour cause d’utilite
publique s’opere par l’autorite de la justice. Das Enteignungsurtheil wird
vom Civilgericht gefällt, die Entschädigungssumme von ihm festgestellt,
die Rechtsmittel gehen an den Kassationshof, die Herrschaft des Civilrechts
und der Civilgerichte ist eine unbedingte. Der Versuch des Verf., die Sache
so darzustellen, als ob die Civilgerichte nur an Stelle von Verwaltungs-
behörden und nach Art von solchen thätig werden, und diese anomale
Einrichtung lediglich auf eine Marotte Napoleon’s I. zurückzuführen, ist eine
leere Ausflucht.
Am bedenklichsten ist die vom Verf. entwickelte Lehre vom „öffentlich-
rechtlichen Vertrage“. Einen solchen nimmt derselbe an in allen Fällen,
in welchen die Verwaltung nicht gesetzlich ermächtigt ist, persönliche Lasten
durch einseitige Machtäusserung ohne Weiteres aufzulegen, sie daher die
für ihre Zwecke erforderlichen Leistungen nur dadurch erhalten kann, dass
die Einzelnen freiwillig die Pflicht dazu — regelmässig gegen ent-
sprechende Vergütung — auf sich nehmen. Mit Recht sagt der Verf.: „In
einem solchen Akte erkennen wir die Gestalt eines zweiseitigen Ver-
trages wieder, der je nach seinem Inhalt als Dienstvertrag, Auftrag, Lie-
ferungsvertrag, Miethvertrag erscheint und dem unter diesem Namen im
Civilgesetzbuch aufgestellten Schema entspricht“ (S. 291). Diese richtige
Erkenntniss wird aber sofort von ihm aufgegeben. Denn der öffentlich-
rechtliche Vertrag (contrat administratif) — im Gegensatz zu den Fällen,
in denen der Staat sich ausnahmsweise dem Civilrecht und dem Urtheil
der Civilgerichte unterwirft — „ist kein wahrer Vertrag; die hoheit-