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Verwaltungsrecht ist ihm das Musterrecht; er ist von seiner Vorzüglichkeit
durchdrungen; was demselben entgegensteht, ist ihm unsympathisch. Dies
macht sich nicht nur geltend in der Würdigung des Verhältnisses zum
Civilrecht und zur Rechtsprechung der Civilgerichte, sondern insbesondere
auch in allen Punkten, bei denen eine Veränderung des französischen Ver-
waltungsrechts in Elsass-Lothringen durch die Deutsche Gesetzgebung in
Frage steht. Es macht sich hier durchweg die Tendenz geltend, das fran-
zösische Recht in möglichst grossem Umfange zu erhalten und die Wirkung
der neueren Gesetze auf das engste Mass zu beschränken. Man vergleiche
z. B. S. 95, Note 11; S. 101, Note 8; 8. 115, Note 4; 8. 155, Note 2;
S. 191, Note 24; S. 211, Note 6; 8. 235, Note 15; S. 241, Note 14; S. 384,
Note 11; S. 409, Note 14 u. s. w. An manchen dieser Stellen gelangt der
Verf. zu höchst bedenklichen, theilweise auffallenden Folgerungen.
Wenn in den vorstehenden Erörterungen diejenigen Punkte, in denen
ich abweichender Ansicht bin, besonders hervortreten, so liegt dies ja in der
Natur jeder Kritik. Es soll dadurch aber nicht der Anschein erweckt wer-
den, als verhielte ich mich im wesentlichen ablehnend gegen das Werk.
Ich begrüsse dasselbe vielmehr mit grosser Freude als einen Fortschritt in
der Behandlung des Verwaltungsrechts und bin überzeugt, dass auf dem
vom Verf. gewiesenen Wege ihm Viele mit Nutzen folgen werden.
Laband.
Dr. Karl Freiherr von Stengel, o. ö. Prof. in Breslau, Lehrbuch des
deutschen Verwaltungsrechts. Stuttgart. Ferdinand Enke.
1886. XVI. und 459 S. kl. 8°.
Man kann nicht an jedes Werk, namentlich nicht an jedes Lehrbuch
den Massstab streng wissenschaftlicher Arbeiten legen und die Anforderung
neuer Gesichtspunkte, grosser Gedanken, eindringender Forschungen stellen.
Ein Buch, welches den gegenwärtigen Stand einer Rechtsdisziplin in klarer
und übersichtlicher Weise wiedergibt und zur Einführung in die Kenntniss
derselben dient, ist in seiner Art auch eine verdienstliche Leistung. Nur
wird man freilich berechtigt sein zu verlangen, dass es für diesen Zweck
auch wirklich brauchbar ist und nicht lediglich den negativen Vorzug hat,
nichts wesentlich Neues zu enthalten. Von diesem Gesichtspunkt aus muss
auch das vorliegende Werk beurtheilt werden; auf einen Fortschritt in der
Methode oder Systematik, auf eine Erweiterung und Bereicherung des stoff-
lichen Materials oder auf eine Berichtigung der begrifflichen, theoretischen
Erfassung desselben muss man resigniren und sich damit begnügen, dass die
zahlreichen und weit verzweigten Materien, welche man unter dem Namen
Verwaltungsrecht zu behandeln pflegt, in knapper Form und meistens in
sehr leicht verständlicher Weise erörtert sind. Ja, vieles kommt uns darin
gar zu leicht verständlich vor, so dass man sich fragen muss, welchen
Leserkreis der Verf. eigentlich vor Augen hat. Es gilt dies namentlich
von dem „besonderen Theil“, der die einzelnen Verwaltungszweige behan-
delt. Derselbe enthält nicht viel mehr als eine Aufzählung derjenigen
Gegenstände, auf welche sich die Fürsorge des Staates erstreckt, sowie der
Zwecke und Aufgaben, die dabei verfolgt werden, nebst Angabe der be-
treffenden Gesetze. Hierbei benutzt der Verf. die Gelegenheit, zahlreiche,
überaus einleuchtende Bemerkungen zu machen. So führt er z. B. S. 266
aus, dass die Anhäufung einer grösseren Menschenmenge auf öffentlichen
Strassen in der Regel nicht bloss ein Hinderniss des freien Verkehrs ist,