— 320 —
Bundesgewalt bestünde, so wäre er des Schweisses der Edlen nicht werth,
der im Streit um ihn vergossen worden ist.
Als das Ergebniss dieser Erörterungen muss ich daher meine Ansicht
dahin zusammenfassen, dass das Problem des Bundesstaatsbegriffs durch die
vorliegende Schrift seine endgültige Lösung wohl nicht gefunden hat, so be-
stechend auch die Deduction des Verfassers durch ihre Klarheit, innere Har-
monie und dialectische Gewandtheit auf den ersten Blick zu sein scheint.
Strassburg im Oktober 1886. Laband.
Lectures Introductory to the Study of the Law of the Con-
stitution, by A.V. Dicey, B. C.L. of the Inner Temple, Bar-
rister-at-law, Vinerian Professor of English law, Fellow
of AllSouls College, Oxford, Hon. LLD. Glasgow. 2. Edit.
London, Macmillan and Co. 1886. (p. X und 407.)
Die jugendlich frische Kraft, mit der man sich in England in den
letzten Jahrzehnten dem Rechtsstudium zugewendet hat, hat sich in jüngster
Zeit auch auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts erfolgreich bethätigt.
Das zeigt insonderheit das uns vorliegende, hochinteressante Werk, welches
innerhalb des britischen Weltreiches umsomehr Beachtung gefunden hat,
als sein Inhalt in hohem Grade geeignet scheint, zu einem tieferen Verständ-
niss der gegenwärtig so lebhaft brennenden Verfassungsfragen zu verhelfen.
Daher ist das Buch alsbald nach seinem Erscheinen als das Buch des Tages
begrüsst und, obwohl es sich von Politik durchaus fern hält, in den grossen
irischen Debatten wiederholt von den leitenden Staatsmännern citirt worden.
Unter solchen Umständen dürfte es den Lesern dieser Zeitschrift nicht
unwillkommen sein, wenn wir im Folgenden eine kurze Jnhaltsübersicht
des bemerkenswerthen Buches zu geben versichern.
Grosse Schwierigkeiten, so bemerkt Diıckey in seiner einleitenden (].)
Vorlesung stellen sich dem Studium der englischen Verfassung entgegen,
denn anders als in den Ländern, welche eine Verfassungsurkunde besitzen,
ist in England vorerst der Gegenstand und Umfang des Forschungsgebietes
selbst zu bestimmen. Freilich kann sich der Forscher dabei der Hilfe her-
vorragender Gelehrten — Juristen, Historiker und Politiker — bedienen,
allein, wie Verfasser in anschaulicher Besprechung berühmter Beispiele
(BLACKSTONE, FREEMAN, BAGEHOT, HEARN) darthut, ist diese Hilfe eine mangel-
hafte: die Darstellung der Juristen leidet an Fiktionen, die den Sachverhalt
verdunkeln und verwirren ; jene der Historiker beschäftigt sich eingehend
mit der Entwickelung und insbesondere dem Ursprung der Institutionen
während die Schriftsteller, welche sich mit der Theorie der Politik befassen,
eigentlich nur Grundsätze behandeln, welche strenge genommen des Rechts-
charakters entbehrten.
Wenn man auf das Gebiet dessen, was Verfassungsrecht genannt wird,
blickt, so lassen sich nach DicEY, zwei verschiedene Arten von Regeln
unterscheiden: Regeln, welche von den Gerichten erzwungen werden und
anderseits Grundsätze und Usancen, die solchen Zwanges entbehren. Nur
den ersteren kommt (nach Dıcey) der Charakter von Rechtssätzen zu. Daher