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sondern, so vollberechtigt die Forderung bleiben muss, dass
politische Parteimeinungen nicht die Zirkel des Staatsrechts
verwirren dürfen, so dürfen wir gleichwohl bedauern, dass in
Deutschland die litterarische Behandlung des politischen Partei-
wesens ganz auf das Niveau der Tages-, Wochen-, Monats-
Litteratur herabgesunken ist. Denn es ist doch nun einmal nicht
anders: alles was im konstitutionellen Staate Recht werden soll,
muss in irgend welcher Weise durch die politischen Parteien
hindurchgehen. So sind die politischen Parteien einer der wich-
tigsten dynamischen Faktoren des Staatslebens im konstitutionellen
Staate.
Welchen Reiz nun eine wissenschaftliche Erörterung des
politischen Parteiwesens im Zusammenhang mit den Verfassungs-
Einrichtungen eines Staates bietet und wie anregend eine solche
Erörterung, auch bei strengster Sonderung von Recht und Politik,
sein kann, beweist ein vor kurzem erschienenes Werk des Ameri-
kaners A. LAWRENCE LoOWELL: Governments and Parties in
Continental Europe (2 Bände, Boston u. New-York 1896),
auf das die Aufmerksamkeit der deutschen wissenschaftlichen
Kreise zu lenken Hauptzweck dieser Betrachtung ist. Fast alle
grossen Fragen und Probleme, welche die modernen Staaten
beschäftigen, kommen hier in der einen oder anderen Form zur
Erörterung. Wie nützlich und fördernd die Kenntnis und das
Studium des schweizerischen und nordamerikanischen Bundes-
staatsrechts für das Verständnis unseres deutschen Bundesstaats-
rechts ist, hat sich vielfach in der neueren Litteratur, so besonders
in den Arbeiten Häner’s gezeigt. Das vorgenannte Werk giebt
nach dieser Richtung ein reiches und wertvolles Material in sehr
viel weiterem Umfange; die vergleichende Betrachtung bietet für
das tiefere Eindringen in staatsrechtliche Stoffe ein noch lange
nicht genügend gewertetes Hilfsmittel. Und wenn diese Betrach-
tung sich so streng auf dem Boden des positiven Rechts bewegt
wie in dem Werke LAWRENCE LOWELL’s, so wird man auch nicht