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innerhalb der Schranken seiner Zuständigkeit, zwischen jedem
Kläger und jedem Beklagten urtheilen muss. Dies ist nicht so
sehr eine Folge der Thätigkeit des Richters als Finder des un-
geschriebenen Rechts, als eine Konsequenz des höheren Prinzips,
welches dem Staat Pflichten der allgemein-menschlichen Gesell-
schaft gegenüber auferlegt. Der Richter ist dabei Organ des
Staates, und deshalb geht die Pflicht des Staates auf ihn über.
Im Allgemeinen hängt auch die Erkennung der Rechte eines
Fremden in Deutschland nicht vom System der Gegenseitigkeit
ab, und wenn auch das Einführungsgesetz ein gewisses Wieder-
vergeltungsrecht in Aussicht stellt, so bildet dies doch nur eine
Ausnahme; und es ist dem Richter jedenfalls eine selbstständige
Ausübung dieses Rechts entzogen.
Wie steht es aber mit der Hauptfrage, mit der Frage näm-
lich, ob die weitere Entwickelung des internationalen Privatrechts,
vom besonderen deutschen Standpunkt betrachtet, eine Auffindung
von Zuständigkeitsnormen für Gesetze, oder eine Anwendung des
Privatrechts auf Lebensverhältnisse der allgemein-menschlichen
Gesellschaft, nöthigenfalls mit Zuständigkeitsnormen als Mittel,
sein müsse? Die Bedeutung dieses Unterschiedes ist nicht gering.
Im ersten Fall hat man, bei jedem Verhältniss, nur die ver-
schiedenen Gesetze zu mustern, welche mit dem Verhältniss auf
irgend eine Weise zusammenhängen, um aus diesen Gesetzen eine
Auswahl zu treffen; im zweiten Fall hat man an erster Stelle
die Rechtsansprüche des breiten allgemein-menschlichen Verkehrs
zu prüfen, um zu ermitteln, ob die Verweisung auf ein Gesetz
den Verkehrsansprüchen entspricht. Nur wenn dies bejaht werden
muss, darf eine Zuständigkeitsnorm aufgestellt werden, sonst muss
das Verhältniss regelrecht, den genannten Ansprüchen gemäss,
normirt werden.
Hat nun der Gesetzgeber diese Hauptfrage in dem Sinne
geordnet, dass er das Aufsuchen von Zuständigkeitsnormen auf-
erlegt? Meines Erachtens hat er es nicht gethan. Meine Ueber-