Full text: Archiv für öffentliches Recht.Vierzehnter Band. (14)

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zeitig zu Bette gehen, dass sie die Kirche, Theater, Konzerte 
oder Vorträge besuchen, dass sie an geselligen Vergnügungen 
Theil nehmen, dass seine erwachsenen Mitglieder sich verheirathen 
und sich fortpflanzen, dass seine kranken Mitglieder eine Bade- 
reise und seine gesunden Mitglieder eine Vergnügungs- oder 
Studienreise machen. Der Staat hat nicht für alle Interessen, 
sondern nur für die gemeinsamen Interessen seiner Mitglieder 
zu sorgen. Die Sorge für die individuellen Interessen ist nicht 
Aufgabe des Staates, sondern Aufgabe jedes Einzelnen bezw. 
anderer Faktoren: Familie, Kirche u. s. w. Der Zweck des 
Staates ist also kein allseitiger, kein unbeschränkter, sondern ein 
beschränkter. Ferner wird es Niemandem einleuchten, dass der 
wesentliche Unterschied zwischen der Stadt Berlin und dem 
Fürstenthum Reuss &. L. in der Totalität des Fürstlich Reussischen 
Staatszwecks bestehen soll. Eine scharfe Trennung zwischen staat- 
lichen und kommunalen Interessen ist überhaupt nicht durch- 
führbar. Es gibt zahlreiche Fälle, in welchen staatliche und 
kommunale Interessen vollkommen identisch sind. Dass die Stadt 
Berlin eine gute Kriminalpolizei hat, kann ebenso sehr ein kom- 
munales wie ein staatliches oder ein Reichsinteresse sein. Der 
Bau einer Strasse, einer Brücke, einer Eisenbahn, die Anlage 
eines Hafens, die Schleifung einer Befestigung, die Errichtung 
einer Garnison kann ebenso gut im lokalen Interesse der bethei- 
ligten Ortschaften wie im allgemeinen Staatsinteresse (z. B. im 
strategischen oder handelspolitischen Interesse) liegen. In solchen 
Fällen versagt die von BrıEe gemachte Unterscheidung gänzlich. 
Es ist auch offenbar unrichtig, aus dem Zweck des Staates 
ohne Weiteres auf seine Zuständigkeit zu schliessen. Der Grund- 
satz, dass der Staat den Zweck habe, alle Interessen seiner 
Mitglieder zu fördern, ist ebenfalls nur ein rechtsphilosophisches 
Prinzip, welches für das positive Recht gar keine unmittelbare 
Gültigkeit hat. Das positive Recht über die Kompetenz von 
Staat und Kommunalverband beruht nicht auf abstrakten, theore-
	        
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