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wenn endlich noch für die Verkündigung, insofern sie eine selb-
ständige Regierungshandlung des Kaisers ist, die Gegenzeichnung
des Reichskanzlers erforderlich ist, so muss die bei der Ausfer-
tigung geleistete Gegenzeichnung auch für die Verkündigung als
ausreichend angesehen werden; denn die verfassungsmässigen
Voraussetzungen für Ausfertigung und Verkündigung sind die
gleichen; wenn darum der Reichskanzler für die Ausfertigung
durch seine Kontrasignatur die Verantwortung zu übernehmen
bereit ist, so muss er gleichfalls die Verantwortung für die Ver-
kündigung übernehmen wollen; glaubt er allerdings späterhin,
bevor noch die Verkündigung vollzogen ist, die Verantwortung
nicht mehr tragen zu können, so kann er deren Ausführung
immer noch sistieren.
Man hat vielfach die dem Kaiser aus Art. 17 R.-V. zu-
stehenden Rechte der Ausfertigung und Verkündigung insofern
einschränken wollen, als man die diesen Akten dienende Ein-
gangsformel der Gesetze der Beschlussfassung von Bundesrat
und Reichstag unterwerfen wollte*. Meines Erachtens bietet aber
die Reichsverfassung für diese Behauptung keinen Anhalt; denn da
die genannte Formel lediglich den Zwecken der dem Kaiser zu-
stehenden Ausfertigung und Verkündigung dient, ist nicht er-
findlich, weshalb Bundesrat und Reichstag deren Wortlaut sollen
zu bestimmen haben; die Eingangsformel ist eben nur ein Teil
der Gesetzesurkunde, nicht des Gesetzes selbst. Freilich, wenn
die Eingangsformel eines Gesetzes zur Aufnahme materiellen
Gesetzesinhaltes missbraucht wird, indem ihr z. B. Bestimmungen
über räumliche und zeitliche Geltung des Gesetzes eingefügt
„Wir Johann, von Gottes Gnaden König von Sachsen etc., verkünden
„hierdurch:
„Nachdem . . ., 80 haben wir mit Zustimmung unserer getreuen
„Stände beschlossen und verordnen, wie folgt: . . .*
15 Vgl.z.B. Hacneı, Stud. IS. 260 N. 14; Meyer, Anteil S. 57; LaBan,
Rstr. I S. 519; KotBow, Archiv V S. 97; Tuupıczum, Nordd, Bund u. Zoll-
verein $. 96.