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In beiden Fällen müssen die Normen, welche hierbei die Hand-
lungsweise bestimmen, zu einer andern Ordnung gehören als die
Normen des Völkerrechts. Das können aber nur Imperative des
inneren Rechts sein.
In der Litteratur wird der Unterschied zwischen den ge-
nannten beiden Arten zwischenstaatlicher Verhältnisse nur sehr
undeutlich empfunden. So unterscheiden z. B. FuUnKk-BRENTANO
und SOREL „droit des gens“ und „droit des gens public“, wobei
sie in das erstere die gesamten Rechte verlegen, welche jede
Nation den Ausländern, ihrer Person und ihrer Habe gewähr-
leistet2°. In letzter Zeit hat auch der italienische Gelehrte
CımBALL1?‘ vorgeschlagen, das private Völkerrecht in eine be-
sondere Disziplin auszuscheiden und alle Normen, welche die
privaten zwischenstaatlichen Verhältnisse bestimmen, in diese
Kategorie zu verlegen. Dabei muss nach CımBALr’s Ansicht ein
solches diritto internazionale privato streng von dem unter-
schieden werden, was gewöhnlich diesen Namen trägt, nämlich
der Lehre von der Kolision der Gesetze; anderseits hat es
nichts mit dem diritto internazionale publico gemein, welches die
öffentlichen Rechtsverhältnisse der Staaten normiert. Diese
Theorie wurde in Italien und auch in Deutschland einer sehr
scharfen Kritik unterzogen. Es wurde sehr richtig darauf hin-
gewiesen, dass ein solches System völkerrechtlicher Normen, für
das CIMBALI einen eigenen Namen vindiziert, gar nicht existiert,
und dass diejenigen (privaten) Verhältnisse, welche er im Auge
hat, von dem inneren Recht geregelt werden?’. Eine richtige
und vollkommen bestimmte Stellungnahme zu dieser Frage finden
wir bei Fr. v. Liszt. Im $ 19 seines „Völkerrechts“, welcher von
25 Precis du droit des gens 1887 p. 24.
2° Di una nuova denominazione del cosi detto diritto internazionale
privato e dei suoi effetti fondamentali, Roma 1893 (cit. bei Kann, Ueber
Inhalt, Natur und Methode des internationalen Privatrechts 1899 S. 4).
27 Kann, loc. cit.