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particularis oder Servitute des Staatsrechts. Die spätere Litte-
ratur benutzte diese Teilung und begann eine selbständige Be-
arbeitung beider Institute. Die staatsrechtlichen Servitute (deren
Erforschung besonders durch GÖNNER°! gefördert ist) beiseite
lassend, wollen wir sehen, welche Form im Laufe der Zeit die
ENGELBRECHT’sche Theorie von den servitutes iuris gentium er-
halten hat. Einen weiteren Versuch, die Frage theoretisch zu
begründen, finden wir bei OHR. WoLr. Jede Nation, sagt er,
indem sie irgend ein Land occupiert, erwirbt dabei nicht bloss
das imperium, sondern auch das dominium; gleichwie der Eigen-
tümer einer Sache einer andern Person ein beliebiges Recht auf
dieselbe überlassen kann, so kann auch der Staat auf seinem
Gebiet ein Servitut zu Gunsten einer andern Macht errichten.
Solche iura in re aliena sind völlig identisch mit den Rechten an
eine fremde Sache, welche von dem (natürlichen) Civilrecht ge-
schaffen sind. Sich bei ihnen besonders aufzuhalten und eine
eigene selbständige Theorie für sie aufzustellen, dazu liegt nicht
die geringste Notwendigkeit vor: „istius modo enim iura pro
servitutibus territorium haberi ex servitutis definitione patet, non
igitur opus est, ut ad specialia descendamus°?.“
Auf diese Weise emaniert das völkerrechtliche Servitut, nach
Wour’s Ansicht, unmittelbar aus der Natur des Völkerrechts,
welches als ein privates, auf die gegenseitigen Verhältnisse der
Nationen übertragenes Naturrecht gedacht wird. Diese Lehre
ist eigentlich der ganzen Theorie der völkerrechtlichen Servituten
zu Grunde gelegt worden. In ihren allgemeinen Umrissen wird
sie auch zu unserer Zeit in den meisten Lehrbüchern wiederholt,
überall wird ihr ein mehr oder weniger bedeutender Platz ein-
sı N. Ta. GÖNNER, Entwickelung des Begriffs und der rechtlichen Ver-
hältnisse deutscher Staatsrechtsdienstbarkeiten 1800. Dieser Schriftsteller
unterscheidet streng zwischen privaten, staatlichen und völkerrechtlichen
Servituten und behandelt ausschliesslich die zweite Gruppe. Trotzdem be-
rufen sich fast alle Völkerrechtslehrer auf ibn.
5 Jus naturae t. III cap. 6, t. V cap. 6 $ 1267.