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durch den Auslieferungsvertrag keinen Anspruch darauf erworben,
dass der Auslieferungscharakter nach einem bestimmten Straf-
recht entschieden werde.
Deutscherseits wird hingegen bei einem Auslieferungsantrage
wegen Nothzucht die Stellung eines Strafantrages nachgewiesen
werden müssen.
Bei der nachfolgenden Darstellung sollen nicht sämmtliche
Unterschiede des deutschen und des italienischen Strafrechts hin-
sichtlich der Auslieferungsdelicte erörtert, es wird vielmehr haupt-
sächlich nur dargethan werden, ob eine Handlung, welche nach
deutschem Recht strafbar ist und unter den Begriff eines der
im Vertrage genannten Delicte fällt, beide Eigenschaften auch
nach dem ital. Strafgesetzbuch besitzt.
Was zunächst den allgemeinen Theil des Strafrechts an-
betrifft, so folgen wir dabei der Eintheilung des deutschen Straf-
gesetzbuches:
I. Allgemeiner Theil.
1. Einleitung: Das ital. Strafgesetzbuch‘) (Art 1) theilt
die Strafthaten abweichend von der in europäischen Strafgesetz-
büchern sonst üblichen Dreitheilung ein: in Vergehen und Ueber-
tretungen (delitti und contravenzioni). Letztere scheiden bei unserer
Betrachtung aus, da es sich für uns nur um schwere Delicte
handelt.
2. Strafen: Die für Vergehen festgesetzten, hier in Betracht
kommenden Strafen sind (Art. 11): 1) Kerker (ergastolo) lebens-
länglich. 2) Einschliessung (reclusione) von 3 Tagen bis zu
24 Jahren. 3) (Gefängniss (detenzione) von 3 Tagen bis zu
24 Jahren. 4) Geldstrafe (multa) von 10 bis 10000 Lire. Die
Todesstrafe ist dem ital. Recht unbekannt.
*) Bei Angabe des Textes ist die Uebersetzung von STEPHAN, Straf-
gesetzbuch für das Königreich Italien, Berlin 1890, benutzt. Die Artikel be-
zeichnen das italienische, die Paragraphen das deutsche Strafgesetzbuch.