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hat, aufstellt, ihn näher erläutert und seine Ausnahmen bestimmt,
es muss noch eine Vorschrift dafür gegeben werden, in welcher
Weise Zweifelsfragen über die Zuständigkeit ihre Erledigung
tinden sollen. Denn der Gang der Geschäfte kann Fragen bringen,
welche so auf der Grenze der beiden Gebiete liegen, dass es unter
den beiden Behörden selbst streitig wird, welchem sie angehören.
Hierbei ist es möglich, dass eine jede der beiden Behörden die
Angelegenheit als ihr zukommend für sich in Anspruch nimmt
(positiver Kompetenzkonflikt), oder dass eine jede die Behandlung
von sich ablehnt (negativer Kompetenzkonflikt.. Im letzteren
Falle erfolgt die Bezeichnung der zuständigen Behörde auf Be-
treiben einer Partei durch den Staatsrat.
Die Lösung des positiven Kompentenzkonflikts ist in Frank-
reich zur Zeit einem aus Mitgliedern des Staatsrats und Kassa-
tionshofs unter dem Vorsitze des Justizministers gebildeten Kon-
tliktshofe übertragen. Bis zum Sturze des zweiten Kaiserreichs
galt die Ordonnanz vom 1. Juni 1828. Nach deren Bestimmung
konnte die Verwaltung eine Entscheidung des Staatsoberhauptes,
die nach Anhörung des Staatsrats zu ergehen hatte, über die von
einem Gerichte behauptete, von der Verwaltung bestrittene Zu-
lässigkeit des Rechtswegs herbeiführen. Dagegen war der Justiz
die Gegenseitigkeit nicht verbürgt; sie musste ruhig zusehen, wenn
die Verwaltung eine Angelegenheit behandelte und entschied, für
welche nach der Auffassung der Gerichte der Rechtsweg zulässig
gewesen wäre.
Für die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen Justiz und
Verwaltung ist noch am Vorabende des Sturzes des zweiten Kaiser-
reichs das ancien regime bestimmend. Die Regeln, durch welche
die Zuständigkeiten verteilt worden sind, stellen das Ergebnis
einer stetigen Uebung des alten Königtums dar: was die Ver-
waltung interessiert, untersteht der Rechtsprechung der Gerichte
regelmässig nicht, und die den Gerichten jetzt nicht mehr ent-
ziehbaren Fragen haben für die Verwaltung keine Bedeutung.