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Minister für Elsass-Lothringen wurde zunächst der Reichs-
kanzler ®’, nach dem Gesetze vom 4. Juli 1879 für die dem Kaiser
vorbehaltenen Befugnisse der Statthalter, für den dem Statthalter
übertragenen Geschäftskreis der Staatssekretär.
Der französische Staatsrat hatte als verwaltungsgerichtliche
Behörde in erster und letzter Instanz den recours pour exc&s de
pouvoir und den Kompetenzkonflikt entschieden und war zweite
Instanz über den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen des
Ministers und des Präfekturrats gewesen. Der Rekurs gegen die
Entscheidungen des Bezirksrats wurde dem Kaiserlichen Rat
übertragen *°, für die übrigen verwaltungsgerichtlichen Befugnisse
des französischen Staatsrats wurde ein Ersatz nicht geschaffen,
auch nicht in der nach $ 23 des Verwaltungsgesetzes vom 30. De-
zember 1871 zulässigen vorläufigen Weise.
Die Lücke, welche in der Behördenorganisation durch Weg-
fall des französischen Staatsrats entstanden war, ist daher durch
die Gesetzgebung nur unvollständig ausgefüllt worden.
Die Verwaltung war nicht mehr in der Lage, eine Sache,
in welcher sich das Gericht für zuständig hielt, der Justiz durch
Erhebung des Kompetenzkonfliktes zu entziehen; die Beurteilung
der Zulässigkeit des Rechtswegs fiel ganz der Justiz anheim.
/ıwar war durch 8 9 Abs. 2 des Verwaltungsgesetzes vom 30. De-
zember 1871 eine Regelung des Kompetenzkontliktes in Aussicht
genommen, doch ist diese nie erfolgt.
Gegenüber einer Ueberschreitung der Zuständigkeit und einer
Verletzung der vorgeschriebenen Formen war jetzt ein geordnetes
verwaltungsgerichtliches Verfahren nicht mehr möglich; Abhilfe
kann nur im Wege der gewöhnlichen Beschwerde an die vor-
gesetzte Behörde verlangt werden.
Die Zuständigkeit des kaiserlichen Rats wurde zwar in der
Folge erweitert, jedoch immer nur auf einzelne vom (Gesetze
Ss 4 eod.
10 8 8 des Gesetzes vom 30. Dezember 1871.