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Beamte sich einer Ueberschreitung seiner Amtsbefugnisse oder
der Unterlassung einer ihm obliegenden Amtshandlung schuldig
gemacht hat, und ist, da in Elsass-Lothringen ein oberster Ver-
waltungsgerichtshof nicht besteht, vom Reichsgericht zu treffen #”.
Die Entscheidung hat nach Rechtsgründen zu erfolgen. Findet
das Reichsgericht, dass der Beamte nicht schuldig ist, so stellt
es dies durch Beschluss fest. In diesem Falle kann ein weiteres
gerichtliches Verfahren nicht mehr stattfinden. Fällt die Vor-
entscheidung in bejahendem Sinne aus, so nimmt das gerichtliche
Verfahren seinen Fortgang. An die in der Vorentscheidung zum
Ausdrucke gebrachte Auffassung des Reichsgerichts ist das er-
kennende Gericht nicht gebunden.
IV. In einer gegen einen Beamten anhängigen Strafsache
haben die Gerichte auch die Frage selbst zu beurteilen, ob dem
Beamten eine Ueberschreitung seiner Amtsbefugnisse oder die
Unterlassung einer ihm obliegenden Amtshandlung zur Last fällt,
obgleich sie nach dem Grundsatze von der Selbständigkeit der
Verwaltung eigentlich deren Entscheidung einzuholen hätten. Das-
selbe nimmt das Reichsgericht für Zivilsachen in einer Entschei-
dung an, welche auf der unrichtigen Voraussetzung beruht, dass
die in Elsass-Lothringen für die Trennung von Justiz und Ver-
waltung geltenden Grundsätze durch die Reichsjustizgesetzgebung
beseitigt worden seien ®. Zwei andere Urteile haben die ent-
gegengesetzte Meinung vertreten ®. Diese letztere Ansicht muss
als die richtige bezeichnet werden, weil die Reichsjustizgesetz-
gebung die materiellen Vorschriften der Landesgesetze über die
Zuständigkeit nicht berührt hat.
Ein Zweifel könnte nur für die Fälle bestehen, in denen
2 Ksl. Rat v. 26. 4. 02 Jur. Zeitschr. f. E.L. XXVIII 513. Beschluss des
R.G. v. 1. 7. 02 Entsch. Zivils. LII (N. F. I), 107. Beschluss des R.G. v.
26. 9. 87 Entsch. Strafs. XVI 198 No. 1.
88 Urteil v. 10.6. 81 Entsch. Zivils. V 49, ebenso MICHAELIS 2. Aufl. S. 180.
® R.G. v. 5. 4. 87 Entsch. Zivils. XVII 123, R.G. v. 16. 2. 88 Entsch.
Zivile. XX 295,