— 150 —
gegangen und spurlos verschwunden sei®. Damit ist diesen
Schriften doch etwas zuviel Gewicht beigelegt.
Die Romanisten bestritten und bekämpften bekannt-
lich alles, was nicht ins römisch-rechtliche System
hineinpasste. Aber wenn sie in vielen Fällen es auch durch-
gesetzt haben, dass die entgegenstehenden deutschrechtlichen Auf-
fassungen zurückgedrängt wurden, dann ist das noch lange nicht
überall der Fall gewesen, sondern eine ganze Reihe germanistischer
Rechtsinstitute ist allen Anstrengungen der römisch-rechtlich ge-
bildeten Juristen zum Trotz in Geltung geblieben‘.
Ist das nun auch beim Ebenbürtigkeitsprinzip der Fall?
REHM meint es verneinen zu dürfen. Die auffallende Erscheinung,
dass es später doch noch immer existiert, versucht er mit der
Behauptung auszuräumen, es sei eben seit der Mitte des 16. Jahr-
hunderts ein neues Ebenburtsrecht entstanden, welches mit
jenem gar nichts zu tun hätte. Hundert Jahre lang, von 1450
bis 1550 habe die römisch-rechtliche Auffassung geherrscht, dann
sei das neue Ebenburtsrecht beim hohen Adel eingeführt worden.
Da ist es nun doch merkwürdig, dass diese beiden Ebenburts-
rechte, die doch nur durch eine verhältnismässig kurze Zeit von
einander getrennt sind, die ganz den gleichen Inhalt haben, die
in den nämlichen Kreisen existieren, gar nichts miteinander zu
tun gehabt haben sollen! Dazu kommt, dass die Kreise, in denen
diese Grundsätze galten, mächtig genug waren, sich den Roma-
nisten zu widersetzen, auch nicht geneigt waren, von ihnen Rechts-
5 Es ist auffallend, dass REHM der communis opinio der Juristen eine
so massgebende Stellung in einer Frage einräumt, in der seine Ansicht,
wie er selbst zugibt (S. 170), der communis opinio der heutigen Juristen
widerstreitet. Unter Umständen hält also auch er „Sätze, die in der ge-
samıten juristischen Literatur fast ausnahmslos als geltend angeführt werden“,
für unrichtig und anfechtbar.
® Manche deutschen Rechtsinstitute — haben sich gegenüber dem römi-
schen Recht als lebenskräftig bewährt und die Anwendung der korrespon-
dierenden fremden Rechtsätze verhindert. STOBBE, Deutsches Privatrecht 1.
Berlin 1871 8. 19.