— 192 —
schliessen beabsichtigten, und dass umgekehrt alle Mesalliancen
eine Folge einer wirtschaftlich schlechten Lage wären. Häufig
liegen die Verhältnisse gerade umgekehrt. Wirtschaftlich schlech-
ter gestellte Häuser haben viel mehr Veranlassung darauf zu
dringen, dass ihre Mitglieder ebenbürtige gute Partien machen,
um sich in ihrer Stellung zu halten, während gut situierte Hoch-
adlige oft geneigt sind, ihren persönlichen Wünschen folgend,
unter dem Stande zu heiraten. So finden wir nicht selten, dass
gerade der Ühef des Hauses, also der Bestsituierte der
Familie, eine Mesalliance eingeht. Und ausserdem kommen solche
Ehen doch auch in altfürstlichen Familien vor,
in denen doch nach ReHMm ein wirtschaftlicher Zwang nicht vor-
handen sein soll.
Wenn, um nur einige aus der grossen Zahl hervorzuheben,
König Friedrich Wilhelm IIl v. Preussen in zweiter
Ehe sich mit der Fürstin Liegnitz (Gräfin Harrach), Herzog
Georg D.v. Sachsen-Meiningen 1873 sich mit der
Freifrau vv Heldburg, Erzherzog Franz Ferdinand
v. Desterreich sich 1900 mit der Gräfin Chotek ver-
mählte, dann weiss jeder, dass es kein wirtschaftlicher Zwang
war, der diese Ehen veranlasst hatte. Aehnlich liegt auch die
Sache in neufürstlichen und altreichsgräflichen Häusern. Wenn
der reiche Fürst Max v. Thurn und Taxis 1828 eine un-
ebenbürtige Ehe mit Henriette, Frein v. Dörnberg, ein-
ging, dann hat ihn dazu gewiss nicht seine wirtschaftliche Lage
veranlasst; konnte doch sein Sohn 1858 eine bayerische
Prinzessin heimführen. Oder sollte es für den Grafen J u-
lius Schaesberg, den Chef des Hauses, der 1853 die Gräfin
Thekla v. Hompesch heiratete, wirtschaftlich schwerer ge-
worden sein, eine ebenbürtige Ehe zu schliessen, als für seinen
Bruder Rudolf, der sich 1847 in ebenbürtiger Ehe mit Gräfin
Mechtilde v. Waldburg-Zeil vermählte® Hatten sich
die wirtschaftlichen Verhältnisse des Hauses Neipperg 50