Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 21 (21)

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den Staat als soziale Erscheinung auffasst. Wenn er dann auch (wiederum 
wie JELLINEK) in einer besonderen Abteilung den Staat als Rechtsbegriff 
behandelt, so ist doch dieser Staat identisch mit jenem, der eine soziale 
Erscheinung ist. Es gibt nicht zwei von einander verschiedene Arten von 
Staaten, soziale und juristische Staaten, sondern einen Staat, der allerdings 
auch eine Beziehung zum Rechte hat. „Der Staat als Rechtsbegriff“ ist 
nichts anderes, als der in seinem Verhältnisse zum Rechte erfasste, nach 
seiner Stellung im Rechte beurteilte Staat. Besonders deutlich kommt dies 
in den beiden Staatsbegriffen zum Ausdruck, die JELLINEK seiner Staats- 
lehre zu Grunde legt. Die Definition des sozialen Staatsbegriffes (Allgemeine 
Staatslehre 2. Aufl. S. 173) lautet: „Der Staat ist die mit ursprünglicher 
Herrschermacht ausgerüstete Verbandseinheit sesshafter Menschen“, die 
des juristischen (S. 176): „Der Staat ist die mit ursprünglicher Herrscher- 
macht ausgerüstete Körperschaft eines sesshaften Volkes.“ Die diesen bei- 
den Begriffen gemeinsamen Merkmale sind natürlich nicht juristischer Natur. 
Folglich liegt in der Aufstellung des juristischen Staatsbegriffes (von der 
Variation: Menschen — Volk abgesehen) nichts anderes, als das Urteil: Der 
(als soziale Erscheinung definierte) Staat ist eine Körperschaft. Darauf 
läuft denn auch die SEIDLERsche Untersuchung hinaus!. Der Verfasser 
bezeichnet den Staat als Rechtssubjekt, genauer als Rechtssubjekt sui generis, 
das ist als Hoheitssubjekt (S. 58). Dagegen ist nicht das Mindeste einzu- 
wenden. Nur ist damit ein juristisches Kriterium des Staates nicht gewonnen. 
Sehen wir aber von der vermeintlich juristischen Natur des Kriteriums 
ab! Wie verhält es sich mit dem Kriterium überhaupt? „Sobald wir finden, 
dass die Verfassung eines Gemeinwesens Personal-, Gebiets- und Organhoheit 
ihres Subjekts aufweist, ist mit unbezweifelbarer Sicherheit festgestellt, 
dass das Gemeinwesen Staat ist“ (8. 74). Die unbezweifelbare Sicherheit 
für die Schlussfolgerung aus der Prämisse kann unbedenklich zugegeben 
werden. Wer sagt uns aber „mit unbezweifelbarer Sicherheit“, ob die Macht- 
befugnisse eines Gemeinwesens hoheitliche Befugnisse im Sinne des Verfassers 
sind? Mit der SsıDLeRschen Definition kann man beweisen, dass das Deutsche 
Reich ein Staat, und dass es kein Staat? ist, und man kann damit das 
böhmische Staatsrecht stützen und auch widerlegen. Ja der Verfasser erhöht 
noch die Verwertungsmöglichkeit seiner Theorie dadurch, dass er eine Gebiets- 
körperschaft als nicht souveränen Staat bezeichnet, wenn ihre Verfassung 
— 
  
: Dies erkennt der Verf. wohl selbst an, wenn er (S. 17) bemerkt, dass 
das juristische Kriterium des Staates im Grunde nichts anderes bedeute, als 
die juristische Formulierung der Erkenntnis von der realen Natur des 
Staates. 
? SEIDLER selbst beweist die Staatsnatur des Reiches unter Zuhilfenahme 
des Satzes, dass die staatlich-konstitutiven Hoheitsrechte unübertragbar 
sind (vgl. S. 92 N. 1). 
Archiv für öffentliches Recht. XXI. 1. 12
	        
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