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Er hat mithin eine fast grössere Geschäftsgewalt als die Gemeinde-
vertretung. Zudem würde man dem (Gesetzgeber unterstellen
müssen, dass er bei Abfassung der Städteordnung die unbe-
schränkte Vertretungsbefugnis nur einem Kollegium, dem Magi-
strat, zugebilligt hätte, das regelmässig aus Männern bestehen
dürfte, an deren Umsicht und Geschäftsgewandtheit grössere
Anforderungen gestellt worden, wie bei Gemeinden, während bei
diesen der Gesetzgeber das Wohl und Wehe der Gemeinde schon
in die Hände eines einzelnen, des Gemeindevorstehers, gelegt
hätte, an den im allgemeinen, insbesondere bei kleinen Gemein-
den, nicht derartige Massstäbe bezüglich seiner geschäftlichen Er-
fahrung wie an die Magistratsmitglieder gestellt werden dürften.
Auch diese Erwägung kann nicht geeignet erscheinen, für die
Ansicht des Reichsgerichts zu sprechen.
Soweit die Literatur sich mit der Frage beschäftigt, nimmt
sie die Entscheidung des Oberhandelsgerichts ohne jede weitere
Untersuchung als einen feststehenden Rechtsgrundsatz auf !”. Folgt
man der herrschenden Ansicht, so würde mithin die Gremeinde
Kompetenzüberschreitungen des Magistrats und des Gemeinde-
vorstehers schutzlos gegenüberstehen. Sie könnte dem Dritten
gegenüber einen Einwand daraus nicht herleiten, dass ein Be-
schluss der zuständigen Vertretung nicht vorliege, sondern immer
nur an dem Magistrat bezw. dem Gemeindevorsteher Regress
nehmen. Ein Schutz gegen Kompetenzüberschreitungen könnten
den Gemeinden auch nicht die Formvorschriften über Urkunden
bieten, denn diese beziehen sich nicht auf mündlich abgeschlossene
Rechtsgeschäfte. Demgegenüber wäre der Schutz des gutgläubigen
Dritten ins Masslose ausgedehnt. Er brauchte sich nur auf die
mündliche Erklärung des Magistrats oder des Gemeindevorstehers
zu verlassen, diese würde allein schon genügen, eine Verbindlich-
keit der Stadt und Landgemeinde zu begründen.
17 So LEDERMANN, Städteordnung, Berlin 1902, OERTEL, Städteordnung,
Liegnitz 1905. Auch GRucHorT Bd. 26 S. 1078.