Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 21 (21)

sprechend übereinstimmenden innerstaatlichen Gesetzgebung oder 
in der unbeschränkten Anerkennung eines Gewohnheitsrechtes hat. 
Dass von diesen beiden Gesichtspunkten der erste — die Parallel- 
gesetzgebung der Staaten — ohne weiteres ausgeschieden werden 
muss, bedarf einer Erörterung nicht; die zweite Frage, ob und 
wieweit in dieser Beziehung ein Gewohnheitsrecht sich gebildet 
hat oder in der Bildung begriffen ist, das zu befolgen die einzelnen 
Staaten verpflichtet wären, soll im folgenden geprüft werden '*. 
Die Untersuchung wird sich hierbei auf die Feststellung be- 
schränken können, ob der Tatbestand des Seeraubes, die Rechts- 
stellung von Schiff und Mannschaft, die Festnahmebefugnis der 
Kriegsschiffe und die Frage, wem die Strafgewalt über den er- 
griffenen Seeräuber zusteht, in der Praxis und der Theorie soweit 
feststehen, dass von einem völkerrechtlichen Gewohnheitsrecht in 
dieser Richtung gesprochen werden kann. 
Ausgeschieden werden Erwägungen rechtsphilosophischer Na- 
tur, wie die Frage, ob es für die an der Völkerrechtsgemeinschaft 
beteiligten Staaten einen „Beruf zur Weltrechtspflege“ '° gibt, 
kraft dessen sie den Seeraub als crimen humani generis zu ver- 
folgen, sich für „rechtlich verpflichtet“ !% erklären; die Grundlage 
muss hier, wie bei allen Erörterungen über Fragen des Völker- 
rechtes der Satz bilden, dass Völkerrecht nur dann Recht 
4 Auf den Wert internationaler Vereinbarungen gegen die Seeräuber 
weist v. LISZT, z. B. noch in der 3. Auflage seines Strafrechts (1888, S. 93) 
— in den neueren Auflagen (vgl. 10. Aufl. 1900, S. 85) findet sich die be- 
sondere Betonung dieses Gesichtspunktes nicht mehr — mit Recht hin. 
Zu derartigen Vereinbarungen ist es, wohl wegen des verhältnismässig ge- 
ringen Interesses hieran, in gewissem Umfange bis jetzt nicht gekommen. 
Dass man andererseits mit dem völkerrechtlichen Gewohnheitsrecht allein 
hier nicht auskommt, lässt einmal die deutsche Instruktion zur Unterdrückung 
der Seeräuberei in den chinesischen Gewässern vom 20, Aug. 1877 (abgedruckt 
bei PereLs 311 ff.) erkennen, dann aber vor allem auch der neuerdings 
abgeschlossene Vertrag zwischen Italien und der Türkei vom 10. November 
1902; s. darüber v. Lıszr, Völkerrecht 215. 
15 STIEL a 4.0. 19. 
18 v, MArRTITZ 4.2.0. I. 66. 
Archiv für öffentliches Recht. XXI. 2. 19
	        
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