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lich unhaltbar. Eine derartige „allgemeine Pflicht“ im Gegensatz
zu der aus völkerrechtlichen Grundprinzipien entspringenden Ver-
pflichtung, die STIEL ohne Grund eine „spezielle“ nennt, gibt es
nicht. Verantwortlich auch für den Piraten und seine Hand-
lungen bleibt der Staat, dessen Staatsangehöriger er ist, ebenso
wie er es dafür bleibt, dass auf den Schiffen, die seine Flagge
führen, geordnete Zustände herrschen. Wie der Staat dem Rech-
nung trägt, ist seine Sache; es wäre eine bequeme Art, seine
Geschäfte durch andere besorgen zu lassen, wenn jeder Staat es
in der Hand hätte, Personen oder Schiffe, die die Integrität
anderer Staaten auf hoher See frevelhaft angetastet haben, durch
Entziehung seines staatlichen Schutzes „allgemeiner Verfolgung
auszusetzen“, und sich damit der Verantwortlichkeit für ihre
Handlungen zu entledigen.
3. Wie schon oben erwähnt, gründet die herrschende Lehre
die von ihr behauptete Befugnis der Kriegsschiffe, Seeräuber ohne
Ansehen der Staatsangehörigkeit festzunehmen, darauf, dass in
solchen Fällen der Täter infolge der ipso iure eintretenden „De-
nationalisierung“ eine Staatsangehörigkeit nicht mehr besitze und
daher auf offenem Meere von jedem dazu Berechtigten aufge-
griffen werden könne. Wenn diese Beweisführung mit dem Aus-
scheiden des juristisch unhaltbaren Begriffes der Denationalisie-
rung in sich zusammenfällt, so müsste damit, streng genommen,
auch die darauf ruhende Festnahmebefugnis der Kriegsschiffe
fallen, es sei denn, dass sich hierfür ein anderer Rechtsgrund
auffinden lässt. Ob und wieweit das der Fall ist, bedarf zunächst
der Feststellung.
Es mag jedoch gleich hier darauf hingewiesen werden, dass
die allgemeine Anerkennung des Satzes, dass die Kriegsschiffe
aller Staaten Seeräuber festzunehmen haben, die ihnen begegnen,
für die einzelnen Staaten auch die Pflicht in sich schliessen würde,
das zu seiner Durchführung Erforderliche zu veranlassen, m.a. W.
dass, wenn tatsächlich ein Völkerrechtssatz den Staaten das Ein-