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können sie auch nicht ohne weiteres mit ihrem Strafrechte in
die Rechtssphäre anderer Staaten eingreifen. Für ihre eigenen
Angehörigen die erforderlichen Vorschriften zu erlassen, sind
sie allerdings verpflichtet, damit aber hört ihre Kompetenz in
dieser Beziehung auf ®.
Somit besteht also keine Schwierigkeit, wenn ein Staat unter
den Seeräubern eigene Staatsgehörige aufgreift, die er vor sein
Tribunal zur Aburteilung bringt. Anders liegt die Sache bei
Fremden, die der Strafgewalt des Ergreifers nicht unterstehen ;
hier fragt es sich, wie das Verfahren dann zum Abschluss zu
bringen ist, und ob der Staat in diesem Falle verpflichtet ist,
die ergriffenen Seeräuber auszuliefern. In dieser Beziehung besteht
tatsächlich noch eine erhebliche Lücke, die deutlich erkennen
lässt, dass die Entwickelung hier noch nicht abgeschlossen ist.
Ohne Zweifel ist, dass jeder Staat befugt ist, Seeräuber, die
er aufgegriffen hat, ihrem Heimatsstaate auszuliefern; weniger
zweifellos ist, ob er in jedem Falle hierzu verpflichtet ist.
STIEL !" behauptet, dass in Ergänzung der fehlenden eigenen
Zuständigkeit des Staates eine Auslieferungsverbindlichkeit be-
stehe, ohne dafür einen Beweis zu erbringen; von anderen Schrift-
stellern des Völkerrechts wird diese Frage überhaupt nicht
berührt. Auch hier lässt sich jedoch ein Rechtssatz des Inhaltes,
dass ein Staat in jedem Falle verpflichtet sein sollte, Seeräuber,
die er aufgegriffen hat, auszuliefern, nicht nachweisen !".
Nach durchweg anerkannten völkerrechtlichen Grundsätzen
ist zur Ausgestaltung seines Auslieferungsrechtes nach eigenem
Ermessen jeder Staat kraft seiner Souveränität befugt!”; eine
allgemeine Verpflichtung zur Auslieferung von Seeräubern über
» Von einer „Pflicht“ zur Strafverfolgung von Piraten, die für die Staaten,
wie STIEL 15 ausführt, nicht bestehe, kann also schon darum keine Rede sein.
10 2.2.0. 6.
191 Nicht hierher gehört die Frage, wieweit etwa Verträge im einzelnen
Falle eine solche Verpflichtung festlegen.
102 S. v. Liszt, Völkerrecht 262 f., ULLMANN, Völkerrecht 276.