— 306 —
angehörigkeit überhaupt nicht besessen hat. Aus
diesem Grunde liegt auch in dem strafrechtlichen Einschreiten
hier keine Verletzung der Souveränität eines andern Staates;
vielmehr hat die Tatsache, dass sein früherer Heimatsstaat für
den ehemaligen Staatsangehörigen nicht mehr verantwortlich ge-
macht werden kann, zur Folge, dass dieser dem Zugriffe des
Staates unterliegt, in dessen Hände er fällt. Völkerrechtliche
Verpflichtungen irgend welcher Art bestehen in solchen Fällen
für den Ergreifer nicht; er kann hier ganz nach eigenem Er-
messen handeln !%,
Die vorstehenden Ausführungen konnten nur kurz skizziert
werden; insbesondere war mir die Beibringung von Material aus
ausländischen Gesetzgebungen der Kürze der Zeit wegen nicht
möglich. Immerhin werden die hier ausgesprochenen Gedanken, die
sich zum grossen Teil aus der logischen Entwickelung allgemeiner
staats- und völkerrechtlicher Grundsätze ergeben, zeigen, dass
mit der gegenwärtig herrschenden Ansicht über den Seeraub und
seine juristische Konstruktion nicht weiter zu kommen ist. Fasst
man die hier hervorgehobenen Gesichtspunkte noch einmal zu-
sammen, so ergibt sich, dass der von der herrschenden Meinung
behauptete, von den landesrechtlichen Umgrenzungen dieses Be-
griffes abweichende „völkerrechtliche“ Tatbestand des Seeraubes
nicht existiert, desgleichen, dass der Begriff der „Denationalisie-
rung“ von Schiff und Mannschaft juristisch nicht zu konstruieren
ist. Damit fällt die Behauptung, dass der Ergreifer ohne wei-
teres zur Bestrafung der Piraten zuständig ist; lediglich die eine
Annahme der herrschenden Lehre, dass jeder Staat berechtigt
sei, Piraten festzunehmen, findet eine positive Grundlage
darin, dass sich hierfür die Bildung eines Gewohnheitsrechtes
nachweisen lässt, das entgegen den sonst geltenden völkerrecht-
105 Voraussetzung wäre allerdings, dass ihm seine Gesetzgebung die
nötigen Handhaben zu einem Einschreiten bietet; nach deutschem Rechte
wäre zur Zeit ein strafrechtliches Vorgehen in einem solchen Falle unmöglich.