Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 21 (21)

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zugleich den individuellen Interessen der Parteien dient. In der 
Regel stehen Staatsorgane im Dienste individueller Interessen 
nur, soweit deren Subjekte dies verlangen. Davon bestehen aber 
Ausnahmen. Das Amt des Vormunds oder Pflegers steht im 
Dienste der individuellen Interessen des Mündels oder Pfleglings, 
deren Wahrnehmung jenem deshalb zukommt, weil dieser nicht 
in der Lage ist, sie selbst wahrnehmen zu können. Ist aber die 
Vermundschaft und Pflegschaft wirklich ein Amt? Unterscheidet 
sie nicht sich von einem solchen dadurch, dass sie eine privat- 
rechtliche Macht und Pflicht ist, und dass die sogenannte Amts- 
pflicht des Vormunds nicht, wie jede wirkliche Amtspflicht, dem 
(semeinwesen, sondern lediglich dem Mündel und Pflegling gegen- 
über besteht? Wenn wir aber sagen, der Vormund nehme die 
privaten Rechte des Mündels als dessen Vertreter wahr, so ist 
doch keinesfalls die ihm zukommende Macht ihrer Wahrnehmung 
eine privatrechtliche; sie teilt mit jeder amtlichen Macht das 
Merkmal, dass sie ihm nicht zusteht um seiner selbst willen und 
untrennbar verbunden ist mit der Verpflichtung, zu dem Zweck, 
um dessen willen sie besteht, davon Gebrauch zu machen. Die- 
ser Zweck ist die Wahrnehmung der Interessen des Mündels. 
Warum aber kommt sie ihm zu? Weil der Mündel ein Mensch 
ist, dem nicht wie andren das Gemeinwesen die Wahrnehmung 
seiner Interessen überlassen kann. Nicht deshalb bleibt in der 
Regel jedem die Wahrnehmung seiner Interessen überlassen, weil 
sein Wohl dem Gemeinwesen gleichgültig wäre, sondern weil 
jeder am besten selbst für seine individuellen Bedürfnisse sorgt, 
die nebst den Mitteln zu ihrer Befriedigung kein andrer so ken- 
nen kann wie er selbst. Kann dagegen ein Mensch, weil seine 
Individualität noch nicht genügend oder nicht normal entwickelt 
ist, für seine individuellen Bedürfnisse nicht selbst sorgen, so ist 
es ein Interesse des Gemeinwesens, dass dafür andre Menschen 
sorgen. Die Wahrnehmung dieses öffentlichen Interesses kommt 
dem Vormunde zu, der durch Pflichtverletzung mit dem ihm an-
	        
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