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gesehen wurde, das aber vom BGB. als öffentlich-rechtlich erkannt und des-
halb nicht berührt worden ist. Hierher gehört auch die Frage, die O. MAYER
aufwirft, inwieweit die Landesgesetzgebung bei der Bestimmung öffentlicher
Sachen freie Hand habe. Sie könne jedenfalls nicht beliebig irgend welche
Sachen der Herrschaft des BGB. entziehen. Eine gemeine deutsche Rechts-
idee von dem, was Öffentliche Sache sein könne, werde vorausgesetzt. Ich
erinnere in diesem Zusammenhange an die Strassen und Wasserläufe, die
mehreren Staaten gemeinsam sind. In Hamburg gibt es Strassen sowohl
wie Öffentliche Gewässer, deren Anlieger auf der einen Seite in Hamburg,
auf der andern in Preussen wohnen. Hier liegt eine Quelle schwieriger
Fragen der Gesetzeskollision für Rechtsverhältnisse, die mit der im gemein-
samen Öffentlichen Gebrauche stehenden Strasse zusammenhängen.
Uebrigens ist, soviel ich sehe, auch von den Gegnern der öffentlich-
rechtlichen Auffassung kaum je behauptet worden, dass das Eigentum an
den öffentlichen Sachen das gewöhnliche kigentum des Privatrechts sei;
es wird vielmehr anerkannt, dass es ein durch die öffentliche Bestimmung
der Sache beschränktes Eigentum sei®. Und wenn DERNBURG@ ’ annimmt,
dass die öffentlichen Sachen einem Sonderrecht unterliegen, das sie ausser-
halb des Privatrechts stellt, so ist es begreiflich, dass O. MAYER® diesen
Gelehrten als Vertreter der Lehre vom öffentlichen Eigentume und Vorläufer
KIsELEs betrachtet. DERNBURG selbst wird hiermit kaum einverstanden
sein, da er in EISELEs Lehre einen Rückfall in KELteErs Theorie des blossen
Hoheitsrechts erblickt. Die Meinungsverschiedenheit scheint hiernach
mehr darin zu bestehen, ob die öffentlich-rechtlichen Beschränkungen oder
die dingliche Herrschaft des Staates über die Sachen in den Vordergrund
zu stellen sind. Wird auch diese dingliche Herrschaft als öffentlich-recht-
lich erkannt, so entsteht das „öffentliche Eigentum“ im Sinne der Lehre
von EISELE und Orrto MAYER.
Es kann nicht geleugnet werden, dass diese Lehre '' mehr und mehr
Anerkennung findet!!, und ich kann bezeugen, dass sie auch in der Ver-
waltungspraxis manche Anhänger hat. Dass sie von O. MAYER „in glän-
zender Weise* entwickelt sei, erkennt auch der Verfasser an (S. 15 Anm.),
aber er meint, dass alle Ausführungen MAYERs, wenn man von dem Gebiete
des französischen Rechts absehe, in der Luft schweben, dass sein Standpunkt
dem gemeinen und dem preussischen Rechte fremd sei. Ich bin anderer
° WINDSCHEID, STUBBE u.a, ın.
” Pandekten, $ 71.
° Verwaltungsrecht II $ 35 N. 13.
° Pandekten, 871 N. 6.
‘0 Die sich übrigens schon bei SCHwAB (im Arch. f. d. civil. Prax. Bd. XXX
1847, Beilage S. 31 ff.) findet.
'ı S. auch KoEHNE, Verwaltungsarchiv Bd. VIII S. 124.
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