— 3556 —
Geheimhaltung durch die Natur derselben oder durch gesetzliche
Vorschrift geboten ist, in betreff der Tatsachen, auf welche die
Verpflichtung zur Verschwiegenheit sich bezieht“, die Befugnis,
ihr Zeugnis zu verweigern. Den Mitgliedern des Reichstags ist
eine solche Befugnis nicht eingeräumt. Insbesondere kann auch
die Vorschrift des $ 383 CPO. auf sie nicht bezogen werden,
denn in ihrer Stellung als Abgeordnete bekleiden sie weder ein
Amt, noch haben sie einen besonderen Stand, noch betreiben
sie ein Gewerbe.
Die Bestimmungen der StPO. und CPO. über die Be-
rechtigung zur Verweigerung des Zeugnisses sind von dem Reichs-
tage nicht ohne weiteres nach dem Regierungsentwurfe ange-
nommen. Sie haben vielmehr, sowohl in dem Reichstage selbst,
wie in der für die Beratung der Entwürfe niedergesetzten Reichs-
Justizkommission zu ausführlichen Erörterungen geführt. Der
Regierungsentwurf zur StPO. wollte nur den Geistlichen, den
Verteidigern und öffentlichen Anwälten ein Recht zur Zeugnis-
verweigerung einräumen. Die Justizkommission fügte in ihrer
ersten Lesung diesen Personen Notare, Aerzte und Hebammen
hinzu, später sind dann die Notare und Hebammen wieder ge-
strichen. Ausserdem bildete die Frage, ob bei Pressvergehen
die Verleger, Redakteure, Drucker und deren Hilfspersonal für
berechtigt erklärt werden sollten, das Zeugnis über die Person
des Verfassers und Einsenders zu verweigern, den Gegenstand
ausführlicher Erörterungen in der Justizkommission und im Ple-
num des Reichstags. Niemals ist davon die Rede gewesen, dass
auch den Mitgliedern des Reichstags als solchen ein Recht zur
Verweigerung des Zeugnisses zustehe oder zu gewähren sei.
Man hat nun eingewandt, wenn die Mitglieder des Reichs-
tags schon auf Grund des Art. 30 RV. nicht als Zeugen ver-
nommen werden durften, so sei es überflüssig und auch nicht
zweckmässig gewesen, diese Vorschrift in den Prozessordnungen
zu wiederholen. Dieser Einwand würde berechtigt sein, wenn