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rungen derselben doch verschieden. Indessen ist der Schluss ge-
rechtfertigt, dass, wenn sich in den andern Verfassungen allge-
mein Vorschriften des Inhalts, dass gegen die Abgeordneten auch
civilrechtliche Ansprüche auf Grund ihrer Aeusserungen in den
Kammern nicht erhoben werden dürfen, nicht finden, man auch
in der Verfassung des Reiches der Immunität eine solche Aus-
dehnung nicht hat geben wollen. Jedenfalls hätte man dieses
klar aussprechen müssen, wenn es die Absicht gewesen wäre.
Bestätigt wird diese Ansicht dadurch, dass sich ın der pri-
vatrechtlichen Gesetzgebung, namentlich im BGB., kein ent-
sprechender Vorbehalt für die Mitglieder der gesetzgebenden Ver-
sammlungen der Einzelstaaten findet. Wenn man der Ansicht
gewesen wäre, dass der Art. 30 sich auch auf privatrechtliche
Ansprüche beziehe, so hätte man in den privatrechtlichen Ge-
setzen ohne Zweifel ein ähnliches Privilegium für die Mitglieder
dieser gesetzgebenden Versammlungen statuiert und diese auch
bezüglich ihrer berufsmässigen Aeusserungen nicht den allge-
meinen Vorschriften des bürgerlichen Rechts unterworfen (vergl.
die obigen Ausführungen). So ist in der CPO. 88 904 u. 905
bestimmt, dass die Haft zur Erzwingung eines Offenbarungseides
gegen Mitglieder einer deutschen gesetzgebenden Versammlung
während der Sitzungsperiode unstatthaft ist, und dass eine solche
Haft für die Dauer der Sitzungsperiode unterbrochen wird, wenn
die Versammlung eine solche Unterbrechung verlangt.
Eine Aeusserung in einer gesetzgebenden Versammlung kann
unmittelbar und an sich einen privatrechtlichen Anspruch be-
gründen. So im Falle des $ 824 BGB. Sie kann ausserdem
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der Schuldhaft nicht schützen solle. (HASSLER, a. a. O. S. 657). Der dem
Reichstag vorgelegte Entwurf der norddeutschen Bundesverfassung enthielt
eine solche Bestimmung, wie sie sich im Art. 31 findet, nicht. Der Art. 31
ist auf Antrag des Reichstags in Uebereinstimmung mit einer Bestimmung
der preussischen Verfassung aufgenommen worden. Auf den Sinn des
Art. 30 kann dieses keinen Einfluss äussern.