Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 21 (21)

— 372 — 
ohne Zweifel den Ausdruck „gerichtliche oder disziplinarische 
Verfolgung“ in einem möglichst weiten Sinn verstanden wissen 
und um dieses auszudrücken, kann man den Zusatz, dass der 
Abgeordnete auch sonst nicht zur Verantwortung gezogen wer- 
den dürfe, gemacht haben. Die Bestimmung des Art. 30 ist 
aus der Verfassung von 1849 übernommen. Damals war das 
strafgerichtliche Verfahren in den verschiedenen Bundesstaaten 
ganz verschieden, es war namentlich noch der alte Inquisitions- 
prozess vorherrschend. Man kann es daher nicht als überflüssig 
ansehen, wenn dem Ausschluss der gerichtlichen oder disziplina- 
rischen Verfolgung noch hinzugefügt ist, dass der Abgeordnete 
auch anderweitig nicht sollte zur Verantwortung gezogen werden 
können. Dieser letztere Ausdruck hatte insbesondere in dem 
Vorschlag des Verfassungsausschusses der Nationalversammlung 
insofern einen guten Sinn, als in diesem Vorschlage nur die 
gerichtliche Verfolgung, nicht die disziplinarische, besonders aus- 
geschlossen - war, die letztere wurde nur durch die allgemeine 
Bestimmung in dem Schlusssatz betroffen. Der Ausdruck „dis- 
ziplinarisch* ist im Plenum der Nationalversammlung hinzu- 
gesetzt. Es hätte keinen Sinn gehabt, deswegen die Bestimmung, 
dass der Abgeordnete auch sonst nicht zur Verantwortung ge- 
zogen werden dürfe, zu ändern oder in Wegfall zu bringen. 
Der Schlusssatz enthielt höchstens etwas Ueberflüssiges. 
Uebrigens hat die fragliche Bestimmung auch nach meiner 
Auffassung in einer Beziehung einen guten Sinn. Nimmt man, 
wie ich, an, dass unter gerichtlicher Verfolgung die Verfolgung 
durch das Gericht zu verstehen ist, so würde die frühere Privat- 
injurienklage zulässig gewesen sein, wenn nicht der Zusatz ge- 
macht wäre, dass der Abgeordnete auch sonst wegen seiner 
Aeusserungen nicht zur Verantwortung gezogen werden dürfe. 
Dazu kommt, wie oben ausgeführt, dass die Vorschrift des 
Art. 30 strikt zu interpretieren ist, und dass in dem Artikel nur 
dann eine Ausnahme von den allgemeinen Rechtsregeln gefunden
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.