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werden darf, wenn eine solche klar hervortritt.
Schliesslich beruft man sich auf die Entstehungsgeschichte
des Art. 30. Man behauptet, dass die Vorschrift des Artikels
den Art. 44 der belgischen Verfassung von 1831 zum Vorbild
habe, und dass dieser Artikel wieder auf der englischen bill of
rights beruhe, dass man also für die Auslegung des Art. 30 auf
die belgische Verfassung und die englische bill of rights zurück-
greifen dürfe. Nun heisst es ja, dass man bei Eintwerfung der
Verfassung von 1849, an welche sich die von 1867 in vielen
Punkten anschliesst, vorzugsweise die belgische Verfassung be-
nutzt habe. Dieses mag auch richtig sein, auch wird man wahr-
scheinlich die Bestimmungen des englischen Rechts benutzt haben.
Die Verfassung des deutschen Reichs ist aber weit entfernt da-
von, der englischen oder belgischen Verfassung gleich zu sein.
Will man die Bestimmungen dieser Verfassungen zur Auslegung
einzelner Artikel der Verfassung des deutschen Reiches heran-
ziehen, so muss man nachweisen, dass es die Absicht gewesen
ist, dass diese Artikel den Bestimmungen der fremden Verfas-
sungen ganz oder doch in den entscheidenden Punkten haben
gleich sein sollen. An einem solchen Nachweis fehlt es aber.
Der Staatssekretär von BÖTTICHER hat in der Sitzung des Reichs-
tags vom 10. März 1886 erklärt, dass nach den Untersuchungen
des preussischen Staatsministeriums der Art. 30 einer Bestim-
mung der belgischen und der englischen Verfassung nachgebildet
sei. Diese Nachbildung soll nach seiner Erklärung bei der Aus-
arbeitung der Verfassung des Norddeutschen Bundes stattgefun-
den haben. Wie bereits in der Reichstagssitzung von dem Ab-
geordneten Professor HÄnEL hervorgehoben wurde, liegt hier ein
Irrtum vor. Der Art. 30 ist aus der Verfassung von 1849 über-
nommen. Wie wenig man bei dem Entwurf der Verfassung von
1867 die belgische Verfassung in bezug auf die Immunität der
Abgeordneten zur Richtschnur genommen hatte, beweist der Um-
stand, dass eine dem Art. 31 der gegenwärtigen Verfassung ent-