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sprechende Bestimmung in den Entwurf nicht aufgenommen wurde,
obgleich sich eine solche in der belgischen Verfassung findet.
FuLD behauptet (Annalen S. 15), dass die bezügliche Be-
stimmung der Verfassung von 1849 den Art. 44 der belgischen
Verfassung zum Vorbild gehabt habe. Die Verhandlungen der
Nationalversammlung bieten für diese Behauptung keinen An-
halt. Der Paragraph der Verfassung von 1849 beruht im we-
sentlichen auf einem Vorschlage des Verfassungsausschusses. Der
Vorschlag schloss sich an das Reichsgesetz vom 30. Sept. 1848
wörtlich an. Die bezügliche Bestimmung dieses Gesetzes war
von dem Prioritäts- und Petitionsausschuss vorgeschlagen. Der
Vorschlag war in dem Bericht nicht begründet (WIGARD, Stenogr.
Ber. III S. 2350). Ebenfalls hat der Verfassungsausschuss eine Be-
gründung für den entsprechenden Vorschlag nicht gegeben.
Die Fassung des Art. 30 schliesst sich ebensowenig an den
Art. 44 der belgischen Verfassung, wie an die bezügliche Be-
stimmung der bill of rights an. Danach ist es nicht berechtigt,
die belgische Verfassung und die bill of rights zur Auslegung
des Art. 30 heranzuziehen. Ueberdies ist es auch durchaus nicht
erwiesen, dass die beiden erwähnten fremden Verfassungen für die
Mitglieder der gesetzgebenden Versammlungen eine solche Exemtion
von der allgemeinen Verpflichtung zur Zeugnisablegung enthalten ”.
” Der Minister von BÖTTICHER hat in der Reichstagssitzung vom 10. März
1886 erklärt, dass es sich nach der Ansicht der preussischen Staatsregie-
rung bei den bezüglichen Bestimmungen der belgischen oder englischen
Verfassung nur um strafrechtliche Verfolgungen handele. Die entgegen-
gesetzte Ansicht wird von FuLp (Annalen S. 15 und 16) aufgestellt. Es
stehen sich also hier die Autoritäten gegenüber. Wenn ich nun gleich
eine solche Kenntnis des belgischen oder englischen Rechts nicht besitze,
um in dieser Streitfrage eine bestimmte Stellung einnehmen zu können,
so möchte ich doch auf folgendes aufmerksam machen. Die Bestimmung
der belgischen Verfassung ist oben angeführt. Furp legt den Ausdruck
„rechercher“ so aus, dass nach demselben die Aeusserung eines Abgeordneten,
welche er in Ausübung seines Berufs getan habe, überhaupt nicht zum
Ausgangspunkte einer Untersuchung oder Verfolgung gemacht werden dürfe.