Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 21 (21)

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ziehe, über denselben als nicht hinreichend substantiiert zur Tages- 
ordnung überzugehen. Das Plenum trat in der Sitzung vom 9. 
Dez. 1848 dem Bericht des Ausschusses bei. Bei der Verhand- 
lung bemerkte der Berichterstatter in Uebereinstimmung mit einer 
Bemerkung in dem Berichte u. a.: „Nimmermehr kann man sagen, 
dass der Zeuge, indem er als Zeuge aufgerufen wird, dadurch 
zur Verantwortung gezogen wird. Es ist also das Gesetz vom 
30. September weder dem Geiste noch dem Wortlaut nach hier 
anwendbar.“ (WIGARD, Stenogr. Berichte V 8. 3580. VI 
S. 4015 fi.) Davon, dass bei der Auslegung der erwähnten 
Gesetzesvorschriften die Bestimmungen der englischen oder bel- 
gischen Verfassung in Betracht kommen könnten, ist nicht 
die Rede. 
Das Resultat ist, dass die Ansicht, von welcher die Reichs- 
gesetzgebung (Bundesrat und Reichstag) bei Erlassung der Straf- 
prozessordnung und Zivilprozessordnung ausgegangen ist, es be- 
stehe für die Mitglieder des Reichstags eine Befreiung von der 
Zeugnispflicht nicht, mit dem Art. 30 der Verfassung in Ueber- 
einstimmung steht. 
Was nun die Frage anlangt, ob es sich empfehle, die Mit- 
glieder des Reichstags von der Verpflichtung zur Zeugnisable- 
gung in Bezug auf ihre berufsmässigen Aeusserungen zu be- 
freien, so werden darüber die Ansichten verschieden sein. Man 
muss wohl zugeben, dass die gegenwärtigen Verhältnisse eher 
einen Anlass bieten, dieser Frage näher zu treten, als im Jahre 
1886 der Fall von Schalscha. Da der Zweck einer Ausdehnung 
der Immunität der Reichstagsmitglieder auf die Zeugnisab- 
legung nur sein kann, denjenigen, welche ihnen Mitteilungen 
für ihre berufsmässige Tätigkeit gewähren, Sicherheit dafür 
zu bieten, dass ihre Namen verschwiegen bleiben, so liegt 
jedenfalls kein Grund vor, die zeugeneidliche Vernehmung 
der Abgeordneten über ihre berufsmässigen Aeusserungen all- 
gemein zu untersagen. Es wird sich nur darum handeln können,
	        
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