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darunter den Inbegriff jener Privatrechtssätze, die nur für den
Fall gelten wollen, dass der von ihnen geregelte Tatbestand
durch den Parteiwillen nicht in anderer Weise geregelt wird.
Hiermit erscheinen zwei vermeintliche Merkmale dieses Begriffes
als unwesentlich eliminiert, die ihm durch einen weit verbreiteten
Irrtum zugeschrieben werden. Einerseits glaubt man nämlich,
das dispositive Privatrecht als einen Teil des Vertragsrechtes
ansehen zu können, und meint, dass der Akt des Parteiwillens,
durch den ein solcher Rechtssatz ausser Anwendung gesetzt
wird, notwendig ein Vertrag, eine Vereinbarung, ein pactum sein
müsse !; andererseits hält man es für erforderlich, dass ein sol-
cher Rechtssatz dem mutmasslichen Willen der Parteien Rech-
nung trage?. Beide Meinungen werden widerlegt, wenn wir
das Verhältnis des Testamentes zum Intestaterbrecht ins Auge
fassen. Ersteres ist eine rein einseitige, geradezu den Gegen-
satz zum Vertrag bildende Willenserklärung und letzteres lässt
sich, — wenigstens wenn wir an die Berufung entfernter, dem
Erblasser völlig unbekannter Seitenlinien denken, — nur durch
eine sowohl mit dem historischen Entwicklungsgang des Erb-
rechtes als mit der Erfahrung des täglichen Lebens in schroffem
Widerspruch stehende Fiktion auf den mutmasslichen Willen
des Erblassers zurückführen. Nichtsdestoweniger kann das In-
testaterbrecht nur als Spezialfall des dispositiven Privatrechtes
angesehen werden, was besonders dann evident wird, wenn wir
es mit dem einen Teil des „zwingenden“ Privatrechts bildenden
Pflichtteilsrecht konfrontieren.
Weist nun das Staatsrecht Rechtssätze auf, die jenem von
allen unwesentlichen Merkmalen gereinigten Begriff des dispo-
sitiven Rechts entsprechen?
HAENEL, der in diesem Falle wohl als Interpret der herr-
! Diese Ansicht geht natürlich auf den Satz vom ius publicum, quod
pactis privatorum mutari nequit, zurück.
? Dagegen bereits DernguRra Pandekten $ 32.