Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 21 (21)

— 332 — 
schenden Ansicht gelten darf, äusserst sich hierüber in seinem 
Deutschen Staatsrecht I S. 175 folgendermassen: „Dispositive 
Rechtssätze sind ausschliesslich eine charakteristische Erscheinung 
auf dem Gebiete des Privatrechtes.. Das öffentliche 
Recht kennt sie nicht; denn sie sind nur denkbar als 
Gegenstück zur Erscheinung der rechtsgeschäftlichen Privatwill- 
kür, die durch den Begriff des öffentlichen Rechtes ausge- 
schlossen ist“. 
Man braucht aber nur das positive Recht flüchtig zu durch- 
forschen, um sich von der Unhaltbarkeit dieser Meinung zu über- 
zeugen. Ist doch einer der fundamentalsten Rechtssätze, die in 
einer Erbmonarchie Geltung haben, der Satz,- dass der Monarch 
lebenslänglich regiert, ausgesprochen dispositiver Natur, wenn 
man zur Einsicht gelangt ist, dass der Thronverzicht nicht, wie 
noch immer von manchen Seiten behauptet wird ?, ein Regie- 
rungsakt, sondern die Ausübung einer dem Monarchen als Privat- 
person zustehenden Befugnis, also ein Ausfluss jener rechtsge- 
schäftlichen Privat-Willkür ist, die nach HAENEL im Öffentlichen 
Rechte begrifismässig ausgeschlossen sein soll. Und dasselbe 
gilt natürlich auch von jenen Rechtssätzen, auf welchen die 
Lebenslänglichkeit resp. die auf eine gewisse Zahl von Jahren 
beschränkte Dauer der Kammermitgliedschaft und anderer ver- 
zichtbarer Öffentlicher Rechte beruht. Dispositiven Charakter 
hat ferner eine ganze Anzahl verfassungsrechtlicher Detailbe- 
stimmungen, z. B. manche Vorschriften für den Fall mehrfacher 
Wahlen, insofern der mehrfach Gewählte den Wahlbezirk, als 
dessen Abgeordneter er fungieren soll, in erster Linie selbst zu 
® So z. B. von HAUKE, Die geschichtlichen Grundlagen des Monarchen- 
rechtes S. 136. Vgl. jedoch v. FrıscH Der Thronverzicht S. 4 und 75, der 
ın Uebereinstimmung mit mir darauf hinweist, dass die Disposition über 
ein Recht nie ein Akt der Ausübung dieses Rechtes sein könne. Ich möchte 
ergänzungsweise bemerken, "dass die Vorstellung, jemand könne über ein 
Recht kraft eben dieses Rechtes verfügen, an den sich bei seinem eigenen 
Zopf emporziehenden Münchhausen erinnert.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.