Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 21 (21)

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Diese Beispiele, die sich an der Hand unserer Gesetzsamm- 
lungen ins Ungemessene vermehren liessen, genügen wohl, um 
zu zeigen, dass es jener Behauptung HAENELs zum Trotz ein 
dispositives Öffentliches Recht in genau demselben Sinne gibt, 
wie es ein dispositives Privatrecht gibt. Der einzige Unterschied 
ist der, dass dieses innerhalb des Privatrechtes die Regel, jenes 
innerhalb des öffentlichen Rechtes die Ausnahme bildet. 
In einem ganz anderen Sinne wird nun aber der Ausdruck 
„dispositives Öffentliches Recht“ von JELLINEK gebraucht®. Er 
führt als Beispiel die Bestimmung des deutschen Gerichtsver- 
fassungsgesetzes an, wonach den Gerichten die Entscheidung über 
die Zulässigkeit des Rechtsweges zugewiesen, zugleich aber der 
Landesgesetzgebung gestattet wird, hiervon abweichend besondere 
Behörden zur Entscheidung von Kompetenzkonflikten einzusetzen ; 
ferner die Bestimmung der preussischen Städteordnung vom 
30. Mai 1853, wonach kleinere Städte eine Vereinfachung ihrer 
Organisation in Abweichung von den dafür sonst vorgeschriebenen 
Normen herbeiführen dürfen, endlich die Bestimmung des deut- 
schen Krankenversicherungsgesetzes, wonach durch die Statuten 
der Krankenkassen sowohl die Leistungen dieser Kassen als der 
Kreis der Versicherungspflichtigen anders als der gesetzlichen 
Norm gemäss bestimmt werden können. Man sieht, JELLINEK 
versteht unter einer Dispositivbestimmung nicht einen Rechtssatz, 
der durch den Willensakt einer Privatperson, sondern einen 
Rechtssatz, der durch den Willensakt eines Gliedstaates, eines 
Selbstverwaltungskörpers, einer öffentlichen Genossenschaft, also 
kurz gesagt: durch einen autoritären Willensakt ausser An- 
Rechtes, sondern der Rechtssatz, der dessen Verzichtbarkeit ausspricht, 
dispositiven Charakter haben. Wie immer man die damit aufgeworfene 
Frage der Terminologie beantworten mag, so ist es klar, dass auch der 
Strafprozess und das Verfahren in Verwaltungssachen, ja selbst das ma- 
terielle Strafrecht — man denke an die Privat- und Antragsdelikte — 
dispositive Bestandteile haben. 
eA.a.0.S. 30.
	        
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