Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 21 (21)

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Parlament, zwischen den beiden Kammern, zwischen der ge- 
wählten Kammer und der Wählerschaft u. s. w. beherrschen — 
Regeln, die in der englischen Rechtssprache als customs, under- 
standings, conventions bezeichnet und von der law of the consti- 
tution auf das sorgfältigste unterschieden werden ‘. Die wichtig- 
sten unter ihnen sind jene, in welchen das Wesen der als 
Parlamentarismus bezeichneten Regierungsweise zum Ausdruck 
kommt, also die Regeln, wonach die Mitglieder des Kabinetts 
Angehörige und Vertrauensmänner der Mehrheit der Zweiten 
Kammer sein müssen und nur solange die Regierung führen 
dürfen als sie das Vertrauen dieser Mehrheit geniessen, wonach 
die Erste Kammer sich im Falle eines Dissenses dem Willen 
der Zweiten zu beugen hat und die Krone den übereinstimmen- 
den Beschlüssen beider Kammern, insbesondere bei Gesetzent- 
würfen, die Zustimmung nicht versagen darf — wozu noch eine 
Reihe anderer nach Zeit und Ort verschiedener Regeln — ich 
erinnere daran, dass in England sogar die jährliche Einberufung 
des Parlamentes nur auf einer solchen Regel beruht — hinzu- 
kommen. Diese rechtlichen Erscheinungen werden von JELLINEK 
als Spezialfälle des dispositiven Rechtes erklärt, unter dessen 
verschiedenen deutschen Bezeichnungen er die als nachgiebiges 
Recht bevorzugt, weil sie den eigentümlichen Charakter der 
gerade hier in Frage kommenden Normen am besten zum Aus- 
druck bringe. 
Nun haben wir schon gesehen, dass das, was JELLINEK dis- 
positives Staatsrecht nennt, diese Bezeichnung nur in einem un- 
eigentlichen, vom Standpunkt der Systematik kaum zulässigen 
Sinne führen kann. Aber es lässt sich auch unschwer zeigen, 
dass jene Konventionalregeln weder in diesem noch in einem an- 
deren Sinne dispositives Recht sein können. Halten wir uns an 
?” Vgl. besonders Dıcky, Introduction to the study of the law of the 
constitution, Chapt. XIV u. XV. 
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