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Verfassungsrecht — je nach der grösseren oder geringeren
Schwierigkeit, mit der dessen Abänderung verbunden ist. Es
liegt nun gewiss sehr nahe, diesen Gegensatz mit dem zwischen
zwingendem und nachgiebigem Recht oder wenigstens das naclı-
giebige mit dem biegsamen Recht identifizieren zu wollen. Scheinen
doch diese beiden letzteren Adjektive geradezu synonym zu sein!
Und um so grösser ist die Gefahr einer Verwechslung, wenn
man mit JELLINEK als nachgiebig jenes Recht bezeichnet, das
sich — nicht gegenüber dem Parteiwillen, sondern — gegenüber
der Gesetzgebung oder einer ihr homogenen Willensmacht als
nachgiebig erweist. Ich für meinen Teil brauche kaum noch zu
betonen, dass mir der Ausdruck nachgiebiges Recht eine völlige
contradictio in adjecto bedeutet. Das dispositive Recht schränkt
sein Geltungsbereich aus Rücksicht für einen von ihm respek-
tierten Willen ein, innerhalb dieses Bereiches ist es aber so un-
nachgiebig wie jedes Recht. Und eben so unzutreffend ist —
nebenbei bemerkt — der Ausdruck „zwingendes Recht“, der ja
immer die Vorstellung eines dahinterstehenden Rechtszwanges
erweckt und daher die gerade im Verfassungsrecht so zahl-
reich vorkommenden leges imperfectae nicht mit zu umfassen
vermag.
So wenig ich daher JELLINEK beistimmen kann, wenn er
die Konventionalregeln für disposives Recht erklärt, so
teile ich doch vollkommen seine Ansicht, dass sie Recht sind.
Wenn wir die weitaus wichtigste dieser Regeln — jene, wonach
der parlamentarisch regierende Monarch trotz seines formell
freien Ernennungsrechtes nur Angehörige und Vertrauensmänner
der Mehrheit der Zweiten Kammer ins Kabinett berufen kann —
als Beispiel nehmen, so kann, wie mir scheint, derjenige, der
eine diesfällige Rechtspflicht des Monarchen leugnet, dessen
Situation nur auf eine der folgenden Arten zu erklären ver-
suchen: er kann entweder sagen, dass ein solcher Monarch bei
der Ausübung seines Ernennungsrechtes einer politischen