Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 21 (21)

— 34 — 
verpflichtet, parlamentarisch zu regieren, weil dies angesichts 
der herrschenden Machtverhältnisse das einzige Mittel ist, um 
verfassungsmässig zu regieren. 
Die Richtigkeit dieser Auffassung lässt sich erproben, wenn 
wir an einen Vergleich anknüpfen, den REHM, gleichfalls ein 
Anhänger der Theorie des tatsächlichen Zwanges, in seiner All- 
gemeinen Staatslehre 8. 309 zieht. Er meint nämlich, dass der 
Monarch in einem Staate wie Belgien dem mit der Steuerver- 
weigerung drohenden Parlamente ebenso gegenüber steht, wie 
ein Arbeiter dem Unternehmer beim Abschluss des Lohnver- 
trages: rechtlich frei, aber tatsächlich gezwungen, auf die Be- 
dingungen der Gegenseite einzugehen. Allein rechtlich frei ist 
doch nur jener Arbeiter, der nur für sich selbst zu sorgen hat. 
Obliegt ihm eine Unterhaltspflicht gegen Dritte, dann ist er 
rechtlich verpflichtet, einen Lohnvertrag abzuschliessen, mag er 
auch vom Standpunkt seiner eigenen Lebensführung hiezu noch 
keineswegs gezwungen sein. Nur mit der Lage eines solchen 
Arbeiters lässt sich aber die des parlamentarisch regierenden 
Monarchen vergleichen. Auch dieser hat eine Rechtspflicht zu 
erfüllen, der er nur durch das Eingehen auf die Bedingungen 
des ihm gegenüberstehenden Machtfaktors gerecht werden kann "°?. 
Ein tatsächlicher Zwang hingegen, dem ja nie ein Staatsorgan 
als solches, sondern immer nur das ihm subsistierende mensch- 
liche Individuum unterworfen sein kann, erscheint durch die 
Verzichtbarkeit des Monarchenrechtes ausgeschlossen. 
Aus dieser Auffassung folgt, dass die von uns als Beispiel 
genommene Konventionalregel ungeschriebenes Verfassungsrecht 
  
18 Damit soll natürlich nicht behauptet werden, dass ein solcher Monarch 
dem Parlamente untergeordnet ist. Er ist es nicht, weil ihm das 
Parlament nichts zu befehlen hat, denn er ist nur indirekt gegenüber dem 
Staate und nicht direkt gegenüber dem Parlamente verpflichtet, auf die 
Bedingungen des letzteren einzugehen. Auch der unterhaltspflichtige Ar- 
beiter steht ja dem Unternehmer zwar nicht rechtlich frei, aber als formell 
gleichberechtigte Vertragspartei gegenüber.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.