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wird, aber einer eigentlichen verfassungsrechtlichen Grundlage —
im Gegensatz zu der analogen Institution anderer Staaten —
entbehrt '”. Seiner Anschauung getreu erklärt er daher das öster-
reichische Ministerium für eine verfassungsrechtliche Institution,
die ihr Dasein dispositivem Rechte verdankt, das auf dem kaiser-
lichen Rechte der Ministerernennung und auf der Ministerverant-
wortlichkeit aufgebaut sei. Da aber, wie er weiter bemerkt,
ohne Einigung der Minister über die Richtung der einzuschlagen-
den Politik und über wichtige Fragen der Verwaltung eine
widerspruchslose Leitung des Staates unmöglich ist und daher
das Gesamtministerium eine notwendige Einrichtung jedes
Staates ist, so ist nicht einzusehen, wie die Grundlage dieser
Einrichtung dispositiver, d. h. nachgiebiger oder wandelbarer
Natur sein kann. Wir werden vielmehr sagen müssen: da diese
Einrichtung das unentbehrliche Mittel ist, um die der Krone
und der Regierung obliegende Pflicht zu widerspruchsloser Lei-
tung des Staates zu erfüllen, so beruht sie in Oesterreich auf
mittelbar geltendem, aber durchaus zwingendem, absolutem Rechte.
Als mittelbar geltendes Recht kann es ferner angesehen
werden, dass in Oesterreich die gleichzeitige Tagung des Reichs-
rates und der Landtage vermieden wird, da sonst zahlreiche
Politiker, die beiderlei Vertretungskörpern angehören, an der
Ausübung des einen oder des andern Mandates verhindert
würden.
Das wichtigste Beispiel bietet uns jedoch die überragende
Stellung, die in Oesterreich der deutschen Sprache als Geschäfts-
sprache der Zentralstellen, als Verhandlungssprache des Reichs-
rates u. s. w. zukommt, obgleich ihr die gesetzliche Anerkennung
als Staatssprache fehlt und im Art. 19 des Staatsgrundgesetzes
über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger die Gleichberech-
tigung aller Volksstämme und landesüblichen Sprachen prokla-
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A.2.0.S, 33.