Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 21 (21)

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Zum Schlusse mögen einige der wichtigsten praktischen Ergebnisse 
aus der Arbeit RAUCHBERGs hervorgehoben werden: 
Die auf Grund der letzten Volkszählung hergestellte Sprachenkarte 
von Böhmen ergibt, dass die beiden Volksstämme im ganzen strenge 
getrennt wohnen, so dass die von deutscher Seite begehrte administrative 
Trennung nach den Volksstämmen keineswegs jenen Schwierigkeiten be- 
gegnen würde, welche von der gegnerischen Seite behauptet werden. Für 
die Entwicklung der beiden Volksstämme Böhmens ist die geschlossen 
wohnende Masse massgebend, nicht aber die Entwicklung an den 
Grenzstreifen oder in den Mischgebieten. Wenn auch in letzteren 
der ezechische Volksstamm einen wesentlichen Vorsprung zu verzeichnen 
hat, so ist dennoch das übermässige Anwachsen des czechischen Elementes 
gegenüber dem deutschen in Böhmen nur eine durch die sonstigen politischen 
Erfolge den ÜOzechen herbeigeführte Täuschung; die Sprachgrenze 
hatsichim ganzen wenig und nicht überall zu Gunsten der Czechen 
geändert. Die wichtigsten Verschiebungen haben sich im geschlossenen 
Sprachgebiete bei den nationalen Minderheiten ergeben. Hier 
kommt die Wanderbewegnng als Folge der Industrialisierung des Landes 
vorzüglich den Deutschen zustatten. Die Czechen suchen aus Erwerbs- 
rücksichten das deutsche Sprachgebiet auf; doch hat gerade hier der Ein- 
fluss der wirtschaftlichen Faktoren eine Aufsaugung der czechi- 
schen Minoritäten und damit einen Vorsprung der deutschen Gebiete 
bezüglich der Volkszunahmen vor den czechischen zur Folge gehabt. 
Besser als die ezechischen behaupten sich, von gewissen Ausnahmen ab- 
gesehen (Prag, Pilsen, Budweis), die deutschen Minoritäten im 
ezechischen Gebiete, welche hier als der wirtschaftlich stärkere Teil er- 
scheinen. So erweist sich nach den Worten des Autors, dass die beste 
nationale Politik einegute Sozialpolitik ist. Von grossem Interesse 
sind auch die Angaben über die Bildungsrichtung der beiden Volks- 
stämme. Während die Deutschen sich zum grossen Teile für die Tätigkeit 
in der Industrie, dem Handel und Verkelirswesen vorbereiten, findet auf 
ezechischer Seite eine Ueberproduktion an Hochschülern statt, die natur- 
gemäss nach Versorgung im Öffentlichen Dienste über das czechische 
Sprachgebiet hinaus streben, was in unserer Zeit, da der Utraquismus 
der strengen nationalen Sonderung gewichen ist, Anlass zu mancher Rei- 
bung bietet. 
Das wichtigste, höchst beherzigenswerte Ergebnis der Forschungen des 
Autors ist jedoch, dass der nationale Kampf, der so viele Volks- 
kräfte verbraucht, dennationalen Besitzstand beider Volksstimme 
nicht zu erschüttern vermochte. Was der czechische Volks- 
stamm durch die kulturelle Hebung seines Mittelstandes erreicht hat, wird 
auf deutscher Seite durch die industrielle Entwicklung wettgemacht. Nicht 
im aufreibenden Kampfe, sondern in der Kulturentwicklung auf beiden 
Archiv für öffentliches Recht. XXI. 3. al
	        
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