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Rechtskraft käme noch hinzu, dass mit Anerkennung der abso-
luten Rechtskraft ihr wichtigstes Merkmal, der Verzicht auf das
Urteil, selbstverständlich nicht statthat; denn diese Parteiver-
fügung ist mit der im Öffentlichen Interesse geforderten Unan-
tastbarkeit unvereinbar. Auch damit wäre die relative Rechts-
kraft d. h. das Recht am Urteil nicht schlechthin verneint; denn
es mag sehr wohl ein subjektives Recht bestehen, dem aus höhe-
ren Rücksichten die eine oder andere Form des Gebrauchs ent-
zogen ist. Nur die praktische Wichtigkeit dieses Rechtes würde
allerdings sehr gering sein. Aber auch diese kann in der be-
deutsamsten Weise zur Geltung kommen vermöge eines Umstan-
des, dessen Tragweite lange nicht genug berücksichtigt wird.
Tatsache ist nämlich: das Anwendungsgebiet der absoluten und
das der relativen Rechtskraft decken sich wohl grossen Teils,
aber keineswegs vollständig. Jede hat ihren besonderen Zweck,
um dessen willen eine Unabänderlichkeit des Urteils gefordert,
und ihre besondere Form, in der das verwirklicht wird. Dem
entspricht jeweils auch eine besondere Abgrenzung der Fälle, in
welchen diese Unabänderlichkeit Platz greift.
Jedes Urteil ist an sich der relativen Rechtskraft fähig; ob
und wie aber eine solche herauskommt, d.h. ein Recht am Ur-
teil entsteht, das wird von dem Inhalte seiner Entscheidung ab-
hängen. Gegenstand eines Rechtes kann es selbstverständlich
nur für die Partei werden, zu deren Gunsten es ausfällt 5. Siegt
der Kläger, so ist es für ihn gebunden, unterliegt er, so erwirbt
der Beklagte das Recht daran. Relativ rechtskräftig wird es
hier so oder so und zugleich in der Regel absolut rechtskräftig.
Es decken sich dann beide Arten. Allein, es ist auch denkbar,
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5° „Das Recht des siegreichen Klägers am Urteil“, wie DEMELIUS a.2. 0.
sagt. MENDELSSOHN-BARTHOLDY, Rechtskraft S. 350 ff., verwirft grundsätz-
lich eine Rechtskraft secundum eventum litis. Das ist sehr richtig für die
absolute Rechtskraft. Für das, was wir die relative Rechtskraft nennen,
ist das Gegenteil wahr.