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dass Rechtspflege geordnet ist, und ein Urteil ergeht mit nur
einer Partei. Das ist im Strafprozess der Fall überall, wo
kein Privatkläger oder Nebenkläger auftritt, und regelmässig auch
in der Verwaltungsrechtspflege.e Wenn dann diese eine Partei
unterliegt, verurteilt, abgewiesen wird, gibt es keine Gegenpartei,
welche das entsprechende Recht am Urteil erlangen könnte, folg-
lich keine relative Rechtskraft. Wenn absolute Rechtskraft hier
gegeben ist, so steht sie allein °%. Auch das Umgekehrte ist mög-
56 LOENING in Verw.-Arch. V S. 12 ff. wendet sich sehr scharf gegen die
von mir vertretene Unterscheidung zwischen Rechtspflege mit nur einer
Parteistellung und Rechtspflege mit entgegengesetzten Parteien. Ich nannte
das einseitige und zweiseitige Rechtspflege; der Name gefällt mir selbst
nicht; vielleicht sagte ich besser: einfache und zweischneidige Rechtspflege.
Nun jedenfalls kann man verstehen, was ich meine. Zur Widerlegung greift
LOENING weit aus. Er führt meine Lehre zurück auf eine fehlerhafte Grund-
auffassung von dem Verhältnis zwischen Staat und Untertan, eine Grund-
auffassung, die einem Rechtsgelehrten recht übel ansteht, ja bei ihm geradezu
etwas Gehässiges haben muss. Die Grundlage meiner Ausführungen ist
nämlich — ich bin überrascht, das zu erfahren — „der Gedanke, dass der
Staat nur auf Gewalt beruhe“, folglich die Verneinung alles Rechtes zwischen
Staat und Untertanen; diese „unterstehen nur seiner tatsächlichen Herrscher-
macht“; das Verhältnis wäre für mich folgerichtig „nur ein tatsächliches
Machtverhältnis, aus dem Rechte und Pflichten nicht entspringen können“
(S. 13). Also absolutistischer Polizeistaat! Wenn ich gleichwohl von Rechten
und Pflichten der Untertanen rede, so ist das nur eine meiner gewöhnlichen
Inkonsequenzen. Nun hatte ich mich aber doch wahrhaftig redlich genug
bemüht, die Idee des Rechtsstaates klar heraus zu arbeiten. Seine Rechts-
ordnung beruht allerdings nicht mehr, wie weiland die des alten Staats-
wesens, auf einer Sammlung von einzelnen subjektiven öffentlichen Rechten,
Hoheitsrechten; der Staat hat schlechthin die allumfassende öffentliche Ge-
walt. Aber die Trennung der Gewalten und die Ausbildung des Verwaltungs-
rechtes haben die Aufgabe gelöst, auch diese ungeheure Macht kunstvoll in
die Formen des Rechtes zu bringen, so dass man auch die gewohnten Aus-
drucksweisen des Zivilrechtes verwenden mag — wie das zugeht, kann ich
natürlich hier nicht wiederholen. Ich weiss, dass mich viele verstanden
haben. LoEnına will mich nicht verstehen. Seine Folgerung lautet einfach:
„Hat der Staat demnach keine öffentlichen Rechte gegenüber den Unter-
tanen“ — und das habe ich allerdings gesagt —, so bleibt zwischen ihnen
„nur die Tatsache der Macht“. Also: LOENING stellt sich auf den Stand-
punkt des seligen Reichskammergerichts, und weil ich den nicht teile, hilft