Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 21 (21)

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bei den staatlichen Zuständen in Deutschland unmöglich, die Fort- 
bildung und Abänderung der Verfassung davon abhängig zu 
machen, dass sämtliche Staaten zustimmen und jeder einzelne, 
auch der kleinste, ein Recht des Widerspruchs habe. Anderer- 
seits aber bedurften die deutschen Staaten, vor allem Preussen 
selbst, eines Rechtsschutzes dagegen, dass nicht eine Majorität der 
Stimmen im Bundesrat in Verbindung mit einer Majorität des 
Reichstages die Grundlagen umstösst, auf denen das Reich ruht, 
und die Bestimmungen seiner Verfassung abändert. In allen 
Staaten sind Verfassungsänderungen im Vergleich mit gewöhn- 
lichen Gesetzen in irgendeiner Art erschwert, und dadurch ist 
der Bestand der Verfassungen gesichert. Im Deutschen Reich 
besteht diese Garantie einzig und allein in dem Veto der 14 
Stimmen im Bundesrat. Dies gewährt Preussen und ebenso 
jeder Gruppe von Staaten, welche im Reich besondere Interessen 
haben können, wenn diese Gruppe so bedeutend ist, dass sie über 
14 Stimmen verfügt, Schutz gegen eine Vergewaltigung durch 
Majoritätsbeschlüsse. Das Veto der 14 Stimmen bildet gleich- 
sam die Verankerung der Reichsverfassung zum Schutz gegen 
momentane Strömungen. Was von einer Veränderung der Reichs- 
verfassung gilt, gilt auch von einer authentischen Deklaration 
derselben, welche sachlich einer Veränderung der Verfassung 
gleichkommen kann; auch sie ist an die Formen der Ver- 
fassungsänderung gebunden, also bei dem Widerspruch von 14 
Stimmen im Bundesrat und ohne Zustimmung des Reichstages 
unmöglich. 
Dagegen kann der Bundesrat die Auslegung einer zweifel- 
haften Anordnung der Reichsverfassung mit einfacher Stimmen- 
mehrheit beschliessen. Bestreiten kann man aber alles und die 
klarste und unzweideutigste Bestimmung in ihr Gegenteil ver- 
kehren, wenn man den moralischen Mut dazu besitzt. Dadurch 
kann die wichtigste Garantie der verfassungsmässigen Rechte der 
deutschen Bundesstaaten illusorisch gemacht werden. Man kann
	        
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