43 —
sprechende Tätigkeit des Gerichts wird im öffentlichen Interesse
jene Unfehlbarkeit in Anspruch genommen, die ihren Ausdruck
findet in der Unzulässigkeit einer nochmaligen Rechtsprechung
in derselben Sache. Wo die Justiz nichts anderes sein will als
die untrügliche Verkünderin des Willens des Ge-
setzes, ist ihr Ausspruch ausgestattet mit absoluter Rechts-
kraft >,
Das ist der richtige Kern, der allerdings enthalten ist in
BERNATZIKS Lehre von dem Zusammenhang zwischen Entschei-
dung und Rechtskraft. Falsch ist, dass jede behördliche Ent-
scheidung rechtskräftig werde; aber wahr ist, dass die absolute
Rechtskraft gemeint ist für solche Urteile der Gerichte, d.h.
in Form der Rechtskraft ergehende obrigkeitliche Aussprüche
zur Ordnung des Einzelfalles, welche Entscheidung, Rechtsprechung
zum Inhalt haben.
Nun hat man aber beobachtet, dass die Urteile auch noch
anderes zum Inhalt haben können als Rechtsprechung. Insbe-
5 Diese Voraussetzung pflegt sich bei den Prozessualisten als eine ganz
selbstverständliche und ohne besondere Begründung in die Lehre von der
Rechtskraft einzuschieben. FREUDENSTEIN, Rechtskraft S. 2: „Rechtskraft
ist das endgültige Produkt der richterlichen Rechtsanwendung .. . Sie ist
das unwiderrufliche durch das legitime Organ der Rechtsordnung, den Richter,
verlautbarte Anerkenntnis, dass die Voraussetzungen ihrer Betätigung, d.h.
die Anwendung der abstrakten Rechtsregeln auf einen konkreten Tatbestand
negativ oder positiv vorhanden waren.“ Die „negativ vorhandenen Voraus-
setzungen“ sind etwas sehr Unschönes, aber die ganze Idee der Rechtskraft
ist doch hier sehr deutlich zum Ausdruck gebracht. Vgl. auch KLÖPPEL,
Einr. d. Rechtskraft S. 112: „konkrete Rechtssetzung“ durch „Anwendung der
Rechtssätze auf die Tatsachen“ ist Voraussetzung der Rechtskraft. SCHNEIDER
in Ztschft. f. civ. Pr. Bd. 29 S. 155: „ein Verfahren zur Feststellung des
streitigen Rechts“ ; ebenda S. 104. SCHANZE in Ztsch. f. Stf.R.W. 1884 S. 452.
Wıacn, Handb. IS. 75; derselbe, Vorträge $S. 255. Eccıus, Preuss. Priv.-R. I
S. 290. — Diese Auflassung tritt namentlich in der Form mit besonderer
Kraft zu Tage, dass die Rechtskraft hergeleitet wird aus dem Zwecke des
Prozesses, „das Recht zu vergewissern“: BULOow im Arch. f. civ. Pr. Bd. 62
S. 75; PAGENSTECHER, Rechtskraft S. 25. Da muss es selbstverständlich vor-
her schon dagewesen sein.